Freizeit

Nur am Parkett ist’s richtig nett

Tanzen ist in: Viele Kinder und Jugendliche toben sich hobbymäßig bei Hip-Hop oder Urban Dance aus. Manche hingegen entwickeln schon in jungen Jahren noch mehr Begeisterung für Latein- und Standardtänze. Zwei große Talente im Porträt.

Leon war immer sportinteressiert, aber nicht genug für regelmäßiges und intensives Training. Dann verfiel er mit zehn, elf Jahren dem Tanzsport – über den Umweg Eislaufen. „Wir waren beim Linzer Eiszauber, er war völlig begeistert“, erzählt Mama Claudia. Dank einiger YouTube-Videos schwenkte Leon dann doch um zum Tanz auf dem glatten Parkett statt auf Eis, speziell zu lateinamerikanischen Tänzen.

„Das erschien uns auch weniger gefährlich bezüglich Verletzungen.“ Die Erleichterung der Eltern darüber wich aber bald der Erkenntnis, dass es Leon sehr ernst meinte: Ein Klub in der Heimatstadt Linz war zwar bald gefunden, doch keine passende Tanzpartnerin vor Ort. So pendelte Leon jahrelang bis zu sechsmal pro Woche zum Training mit passenden Partnerinnen nach Wien, allein im Zug. Seit wenigen Wochen tanzt Leon mit der gleichaltrigen Ungarin Liliana Farkas bei Turnieren, und man trifft einander an den Wochenenden in Wien: Familie Mühleder siedelte nämlich vor einem Jahr um, der Tanzleidenschaft des Sohnes zuliebe.

Dass beide Eltern Arbeitgeber haben, die auch in Wien über Standorte verfügen, war hilfreich. Und auch, dass sich Leon entschlossen hatte, beim Danceland-Studio im 22. Bezirk in Wien anzudocken. Dort begann er eine Lehre zum Sportadministrator, einem neuen Lehrberuf als Kombination von Bürokaufmann und Sportmanagement. „Leon kann jetzt direkt am Arbeitsplatz auch trainieren, kommt oft erst um neun Uhr abends nach Hause“, erzählt Claudia Mühleder. Besondere Freude mit ihrem hoch talentierten Tänzer und hoch motivierten Lehrling hat auch Danceland-Chefin Kamila Sakowska: „Leon und Liliana sind sehr große Talente, die diese Strapazen freiwillig und gerne auf sich nehmen, weil sie den Tanzsport lieben.“ Von rund 200 Kunden des Danceland sind etwa 40 bei Turnieren aktive Paare, die Mehrheit Kinder und Jugendliche, erzählt die Danceland-Chefin. Bei Leon mangelt es also weder an den Trainingsbedingungen noch am Ehrgeiz („er will Profi werden und in zehn Jahren Weltmeister sein“) noch an den Genen: „Sein Vater war selbstTurniertänzer, das haben wir Leon aber erst später erzählt“, sagt Mama Claudia.

Leon Mühleder

Leon Mühleder
Alter: 15
Lehre Sportadministrator im Tanzstudio Danceland in Wien
Verein: UTS KeepSwinging Langenzersdorf

Top im Tanzsport und in der Schule

Noch näher zum Training als Leon hat es die neunjährige Linda Lachmuth. Vater Chris, ehemals erfolgreicher Turniertänzer, war unter anderem Trainer der österreichischen Nationalmannschaft. Seine Tanzschule Chris im zweiten Wiener Bezirk hat auch eine Dependance in Gänserndorf, ein dritter Standort ist in Planung. Linda machte ihre buchstäblich ersten Gehversuche auf dem Tanzparkett, das praktisch das Erdgeschoß der Privatwohnung ist. Mit drei ging sie schon regelmäßig zum Training. „Ich habe meiner Tochter aber immer freigestellt, das zu machen“, sagt Chris Lachmuth und er werde das weiterhin so halten. Die Schule leidet gar nicht unter der Tanzleidenschaft, Linda hat vor wenigen Wochen die Englisch-Aufnahmeprüfung für ein zweisprachiges Gymnasium geschafft. „Sie geht natürlich lieber Tanzen als in die Schule, weiß aber ganz genau, dass der Schulerfolg die Voraussetzung dafür ist“, erzählt der Papa. Im Vorjahr war die neunjährige Schülermeisterin. Mit ihrem neuen Tanzpartner, Lukas Reinberger, der bereits 13 ist, startet Linda jetzt in der Junioren-II-Klasse.

Vielen fehlt es in Österreich an den passenden Partnerinnen und Partnern.

Chris Lachmuth

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Linda Lachmuth

Linda Lachmuth
Alter: 9
Schule: VS Aspernallee, Wien
Verein: TSC Vienna Dance

„Ich stelle es meiner Tochter frei: ganz oder gar nicht“ - Interview mit Chris Lachmuth

Ihre Tochter kam von alleine zum Tanzsport?
Chris Lachmuth: Ja, das hat sich ganz von selbst ergeben. Aber natürlich, wir wohnen über der Tanzschule, Linda war oft bei meiner Arbeit und hat meiner Frau und mir zugesehen. Spätestens seit sie drei ist, ist Tanzen ihre Lieblingsbeschäftigung und eben jetzt ihre große sportliche Leidenschaft. Sie ist ganz einfach damit aufgewachsen. Ich selbst wusste auch schon als Jugendlicher sehr früh, dass ich Tänzer werden und einmal eine Tanzschule eröffnen will.

Die berufliche Karriere für Ihre Tochter ist also vorgezeichnet?
Ich hoffe, dass sie den Sport weiter ausübt, aber ich werde sie nicht zwingen – ich kenne genügend Fälle, wo die Eltern unglaublichen Druck ausüben. Der Tanzsport, eigentlich jeder Sport in diesem Alter, wirkt sich meist sehr positiv auf den Schulerfolg aus, denn die Kinder sind fokussierter, lernen effizienter. Linda hat, speziell durch die Konstellation, dass sie quasi in der Tanzschule aufwächst, auch den Umgang mit Erwachsenen sehr gut gelernt. Sie fragt mich manchmal im Scherz, wann ich ihr endlich die Tanzschule übergebe. Das würde mich freuen, denn es gibt in Wien ja so viele Tanzschulen ohne Nachfolger. Aber zuerst wird sie die Matura machen, studieren, vielleicht im Tanzsport weiter erfolgreich sein. Sie soll es bloß entweder ganz oder gar nicht machen.

Wie steht es um den Tanzsportnachwuchs?
Ich habe meine eigenen Tanzschulen, war international erfolgreicher Turniertänzer, war Bundestrainer der Nationalmannschaft, das war fast alles ehrenamtlich. Es gibt Nachwuchssorgen, man müsste speziell in Wien mehr Nachwuchszentren etablieren. Ein daraus resultierendes Problem ist auch die Suche nach passenden Tanzpartnern und -partnerinnen. Dass diese oft aus dem Ausland kommen müssen, macht das Training sehr schwierig. Meine Tochter war sehr unglücklich, als sie zuletzt drei Monate keinen Tanzpartner hatte. Es wächst aber eine tolle Generation heran, die in vier bis fünf Jahren sehr erfolgreich sein kann.

Chris Lachmuth, Ex-Bundestrainer und Tanzschulbesitzer (www.tanzschulechris.at)

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