Gesundheit

Nicht ohne meine Horchis!

Von 1.000 Neugeborenen kommen ein bis zwei mit Hörbeeinträchtigung zur Welt. Einer von ihnen ist Paul, er wurde taub geboren. Dank eines Cochlea- Implantats kann er jedoch hören und ein Leben fast ohne Beeinträchtigungen führen.

Etwa drei Wochen nach Pauls Geburt wurde im Rahmen eines Neugeborenen- Hörscreenings festgestellt, dass er taub ist. „Irgendwie hatten wir schon vermutet, dass mit Pauls Gehör etwas nicht stimmt. Denn er hat zum Beispiel nicht reagiert, wenn eine Tür zugefallen ist“, erinnert sich seine Mutter Stefanie Pareiss. Die endgültige Diagnose, dass Paul wegen eines Gendefekts komplett gehörlos ist, war für die jungen Eltern trotzdem ein Schock. „Ich habe nur gedacht: Mein Sohn wird mich nie mit ‚Papa‘ ansprechen können. Es hat schon sehr weh getan, sich das auszumalen“, so Robert Pareiss, Pauls Vater.

Einsetzen der Implantate

Durch Zufall traf er am Tag der Diagnose jemanden, der ein Kind mit Cochlea-Implantat kannte, und schöpfte durch die Erzählung, dass mit dem Implantat eine relativ normale Sprachentwicklung stattfinden kann, wieder Mut. Die Eltern waren sich sofort einig, bei Paul Implantate einsetzen zu lassen. Sein operierender Arzt war Wolf-Dieter Baumgartner, zu dem Stefanie und Robert Pareiss sofort Vertrauen fassten. „Professor Baumgartner war sehr pragmatisch, was in unserer Situation genau richtig war. Pauls Kinderärztin, die uns bestens betreut hat, hat geweint, als sie die Diagnose hörte. Das war damals wenig hilfreich“, so Stefanie Pareiss. Im Alter von sieben Monaten wurden Paul schließlich die Chochlea-Implantate in einer vierstündigen Operation unter Vollnarkose eingesetzt.

„Für die Einsetzung eines Cochlea-Implantats gilt die Faustregel: so früh wie möglich. In Österreich werden die meisten Kinder unter dem ersten Lebensjahr implantiert. Die Plastizität und jene Region des Gehirns für die Sprachentwicklung sind in den ersten Lebensjahren noch ganz offen. Je früher daher ein Hörimpuls gegeben ist, desto besser kann das Kind hören und dadurch sprechen lernen“, so HNO-Experte Wolf-Dieter Baumgartner. Paul konnte nach drei Tagen das Krankenhaus wieder verlassen. Das Implantat wird sehr langsam aktiviert, damit die Kinder nicht vom neuen Reiz überfordert sind und das Gerät vielleicht ablehnen. „Daher können wir gar nicht sagen: Das war der Tag X, da hat Paul zum ersten Mal gehört“, so Stefanie Pareiss. Ein prägendes Erlebnis ist seinem Vater trotzdem im Gedächtnis geblieben: „Ich habe mit Paul ein Tierbuch angeschaut und habe gefragt: Wo ist die Kuh? Und er hat sie mir gezeigt. Da habe ich gewusst, er hört mich, er versteht es und kann mit der Information etwas anfangen. Da war für mich klar, dass es jetzt vorwärts geht.“

Kaum zu sehen: Die Audioprozessoren seiner Cochlea-Implantate, die er hinter dem Ohr trägt, nennt Paul seine „Horchis“. Meist sind sie unter seinen Haaren kaum zu sehen. Auf seinen Wusch wurden sie mit dem Superman- Logo beklebt.

 

Hörimplantierte Kinder, die keine Mehrfach-Beeinträchtigung haben, können in die Regelschule gehen, brauchen weder Gebärdensprache noch spezielle Lehrer.

Univ.-Prof. Dr. Wolf-Dieter Baumgartner

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Fröhliches Kind

Trifft man Paul, der mittlerweile sechs Jahre alt ist, steht man einem fröhlichen Kind gegenüber, das einfach drauflos plappert. Die Audioprozessoren seiner Cholea-Implantate, die er hinter dem Ohr trägt, nennt er seine „Horchis“. Zu Hause tobt er mit seinen zwei jüngeren Geschwistern Jakob, fünf Jahre und Theresa, zwei Jahre, durch die Wohnung. Beide Geschwister haben keine Hörbeeinträchtigung. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch sie vom Gendefekt betroffen sein könnten, lag bei 25 Prozent. Auch Sport ist für Paul kein Problem. Er lernte bereits mit drei Jahren Radfahren und geht auch gerne Klettern. Seine Eltern haben ihn nicht in Watte gepackt, auch wenn seine Mutter zugibt, dass sie bei diversen Stürzen natürlich Angst hatte. Im Kindergarten hatte Paul nie Schwierigkeiten, andere Kinder wollen zwar wissen, was seine „Horchis“ sind, verlieren aber schnell das Interesse daran und behandeln ihn ganz normal. Ab Herbst wird Paul eine Volksschule mit Integrationsschwerpunkt für hörbeeinträchtigte Kinder besuchen.

Sogar Schwimmen ist möglich

„Hörimplantierte Kinder, die keine Mehrfachbeeinträchtigungen haben, können in die Regelschule gehen, brauchen weder Gebärdensprache noch einen speziellen Lehrer. Sie stehen ihren Altersgenossen in nichts nach. Sogar Schwimmen ist mit einem kleinen Plastikschutz, der über den Audioprozessor gegeben werden kann, möglich“, so Mediziner Baumgartner und weiter: „Als Arzt habe ich selber emotionale Probleme, wenn Eltern mit 13- bis 15-jährigen Kindern zu mir kommen, die damals beschlossen haben, kein Implantat einsetzen zu lassen, das aber jetzt nachholen möchten, weil sie sehen, wie sich Kinder mit Implantaten entwickelt haben, wo nicht zu erkennen ist, dass sie ein Implantat tragen. Doch dann ist die Zeit irreversibel abgelaufen.“ Die Kosten für die Operation und die Implantate werden in Österreich von den Kassen übernommen. Die Operation wird an allen Uni-Kliniken sowie vielen Landeskliniken durchgeführt. Das Implantat kann bis zu 30 Jahre eingesetzt bleiben. Der Außenteil – der Audioprozessor – wird in der Regel etwa alle sieben Jahre durch eine neue Generation ausgetauscht.

Cochlea-Implantat: Das Implantat verstärkt den Schall nicht wie ein Hörgerät, sondern wandelt ihn in elektrische Impulse um. Diese gelangen zunächst direkt ins Innenohr, von dort weiter zum Hörnerv und schließlich ins Gehirn. So können taub geborenen Kinder ohne natürliches Gehör hören.

Ohrimplantat - verschiedene Designs

Wie ein Cochlea-Implantat funktioniert:

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