Freizeit

Denn sie wissen, was sie tun

In dem Wettbewerbsbeitrag „La Paranza dei Bambini“ werden Jugendliche zu Kriminellen. familiii berichtet von den 69. Filmfestspielen Berlin.

Designerkleidung, die neuesten Sneakers, teure Uhren und schöne Mädchen – Nicola, Briatò und Lollipop haben einen Traum. Doch in der Realität ist der einzige Luxus, den sich die 15-Jährigen leisten können, auf ihren alten Rollern durch die Straßen ihres Heimatviertels Sanità in Neapel zu rasen und sich frei zu fühlen. Zumindest ein bisschen. Denn die Burschen leben in großer Armut, viele gehen nicht zur Schule, haben aber auch keine Jobs, ebenso wie ihre Eltern, die das Wenige, das ihnen bleibt, an die allgegenwärtige und mächtige Camorra abführen. Der Gang-Anführer Nicola (Francesco Di Napoli) will sich das nicht mehr gefallen lassen, seinem Elend ein Ende setzen: Er fordert die Clan-Bosse heraus, dealt mit Drogen und beginnt ein gefährliches Spiel, das tödlich enden kann.

Eine Jugend im Ausnahmezustand

„La Paranza dei Bambini“ (Ö-Kinostart: 23. August) setzt den roten Faden der heurigen Berlinale fort in der Kinder und Jugendliche und ihre Situation in der Welt ein zentrales Thema sind. Das Drehbuch des Wettbewerbsbeitrags stammt von Camorra-Experten Roberto Saviano, der 2006 mit seinem Mafia-Film „Gomorrha“ für Aufsehen sorgte und auch den Roman „Der Clan der Kinder“ geschrieben hat. Darin beschreibt der Autor ein neues, italienisches Phänomen: Jugendbanden, die keinerlei Regeln mehr kennen und noch skrupelloser handeln, als die erwachsenen Mafiosi. Obwohl teils langatmig, überzeugt der Film dennoch: und zwar mit seinen jugendlichen Laiendarstellern, die alle selber aus Neapel und meist ebenfalls aus sozial schwachen Familien stammen. Sie alle kennen das Problem der Mafia zu gut, wissen, welche Macht sie hat.

„Mein Film“, so Regisseur Claudio Giovannesi, „ist keine soziologische Studie des kriminellen Neapels, es ist ein Film über Jugendliche und ihr Aufwachsen im Zentrum des Verbrechens. Ich möchte die Menschlichkeit der Figuren zeigen.“ Drehbuchautor und Mafiaexperte Roberto Saviano ergänzt: „Viele der Jugendlichen gehen einfach nicht mehr zur Schule. Sie möchten etwas sein, Geld und Macht haben – das machen sie über die Waffen. Das ist eine Wunde unserer Zeit und die Geschichte des Films beruht auf Fakten. Die Jugendlichen nennen sich Paranza. Sie haben sich in Gruppen zusammengeschlossen und ein Machtvakuum gefüllt. Zum ersten Mal in der Geschichte des internationalen Verbrechens gibt es Burschen, die als Kopf einer wichtigen Verbrecherbande agieren. Es gab schon immer Kinder innerhalb dieser kriminellen Organisationen, aber nie als Bosse – das ist vollkommen neu. Diese Jugendlichen haben mit 12-Jahren tausende von Euro jede Woche in der Hand und vor allem auch das Bewusstsein, dass man jederzeit sterben kann. Das hat mich dazu gebracht, dieses Buch zu schreiben.“

Überzeugende Laiendarsteller

Verfilmt wurde das Drama von Regisseur Claudio Giovannesi großteils mit jugendlichen Laiendarstellern aus Neapel. Der 15 Jahre alte Francesco di Napoli wurde für die Hauptrolle ausgewählt – und hat sich genau mit der kriminellen Szene seiner Heimatstadt befasst: „Die jungen Menschen sagen, dass sie keine Alternative haben. Deshalb nutzen sie Waffen, sie öffnen ihren alle Türen. Wer eine Pistole hat, bekommt Geld, Autos, Frauen – das ist die Mentalität dieser jungen Männer.“

Das Hineinversetzen in die brutalen und skrupellosen Jugendlichen war für die Darsteller, die großteils erstmals vor einer Kamera gestanden sind, nicht einfach, wie sie sagen, aber „wir wachsen im Neapel oft im selben Umfeld wie diese Jugendlichen auf – und konnten sie und das, was sie tun deshalb sehr gut beobachten. Das war ein großer Vorteil für uns.“ Der Film vermittelt das Gefühl, dass viele neapolitanischen Teenager nur ein Ziel haben: Verbrecher zu werden. Stimmt das? „Nein, natürlich nicht“, sagt Hauptdarsteller Francesco Di Napoli. „Natürlich gibt es junge Menschen, die Schlechtes erlebt haben und diesen Weg einschlagen. Ich selber bin in einer ähnlichen Gegend aufgewachsen, hatte aber ein anderes Ziel: Ich wollte arbeiten. In meinem Viertel sagt man, dass wer arbeiten geht dumm ist. Aber das ist mir egal.“ Die jungen Darsteller aus „La Paranza die Bambini“ stammen übrigens teils selber aus sozialschwachen Familien. Die Burschen und Mädchen sind geschlossen nach Berlin gereist, nahezu alle sind hier bei der Berlinale, sogar die Nebendarsteller. Es war ihnen wichtig, ein Zeichen zu setzen, zu zeigen, dass es auch anders geht. Ein schönes Zeichen der Hoffnung für eine großteils desillusionierte Generation.

 

 

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