Freizeit

Zwei glatt gestrickt ist nie verkehrt – Stricken für Kinder

Ausgebuchte Strickrunden im ganzen Land, glühende Nadeln am Sofa und Häkel-Workshops im Internet – warum Selbstgestricktes für die eigenen Kinder heutzutage wieder „in“ ist.

Sie treffen einander Woche für Woche am selben Ort – und sie hängen alle schon seit Jahren an der Nadel. Die zehnköpfige Damenrunde, die jeden Donnerstagnachmittag hemmungslos ihrer „Sucht“ nachgeht, ist dennoch pumperlgesund: „Stricken ist Yoga für die Seele – es entspannt und hilft beim Runterkommen vom Alltagsstress“, ist Helga Wohlgemuth überzeugt. Die 53-Jährige betreibt in Maria Saal, auf halber Strecke zwischen Klagenfurt und St. Veit an der Glan gelegen,  gemeinsam mit ihrem Mann Wilhelm in dritter Generation ein Kaufhaus, das sich zum größten Wollfachgeschäft Kärntens gemausert hat. Seit sechs Jahren gibt es dort auch regelmäßige Strick- und Häkelrunden mit eigenen Beraterinnen – inzwischen bereits an drei Tagen pro Woche. „Die sind derart ausgebucht“, betont die Kärntnerin, „dass man sich schon drei bis vier Wochen vorher anmelden muss.“

Jeden Mittwochabend kann man in gemütlicher Atmosphäre Tipps und Strickmuster austauschen, exotische Garne (z. B. von Yak, Lama und Babykamel) bewundern und gemeinsame Projekte in Angriff nehmen.

Glühende Nadeln

Wenn die Temperaturen gen Nullpunkt sinken und ein hautdurchdringendes Frösteln hervorrufen, glühen die Nadeln ganz besonders. Und es wird speziell für Kinder gestrickt und gehäkelt, was das Zeug hält: Neben Hauben, Socken, Decken, Pullovern, Jäckchen und Babypatscherln steht heuer das Häkelkleidchen  Cinderella auf dem Programm. Das Design dafür stammt von Regina Schwarzfurtner, die jeden Mittwoch die Häkelrunde in Maria Saal leitet. Weiters betreut sie zusammen mit einer deutschen Kollegin auf Facebook eine Häkelgruppe („Häkeln unzensiert“) mit derzeit mehr als 30.000 Begeisterten und bietet auch online Workshops in Echtzeit an (www.meinonlineworkshop.eu). Für die Ex-Journalistin aus Klagenfurt hat das Häkeln einen therapeutischen Charakter: „Es war mein
Rettungsanker in einer extremen Lebenssituation – so wie für gut die Hälfte meiner Workshop-Teilnehmer, behaupte ich.“ Zum Erfolgserlebnis, mit dem  Naturmaterial Wolle etwas Handfestes und Wärmendes zu schaffen, komme der verbindende Charakter: „Mich hat das Häkeln mit Menschen zusammengebracht, die mir sonst nie begegnet wären.“

Das sieht Susanne Scherzer ganz ähnlich. „Der Austausch in der Gruppe sowie der produktive und haptische Umgang mit einem tollen Material gehen weit über ein Hobby hinaus. Stricken gibt dir viel Selbstbestätigung“, weiß die Wienerin. 35 Jahre hatte sie in Bürojobs zugebracht – in einer Bank, dann als Unternehmens- und Personalberaterin. Ehe Scherzer im Jahr 2011 beschloss, „in den letzten zehn Berufsjahren noch ganz was anderes zu machen“. Ein mutiger Schritt, den sie keine Sekunde bereut hat. Denn die von ihr eröffnete Wollmeile Wien in der Taborstraße (zweiter Bezirk) entwickelte sich binnen kurzer Zeit zum größten  Wollfachgeschäft in Ostösterreich. Mit Stolz kann Scherzer auf Kunden aus der ganzen Welt sowie auf Kooperationspartner aus der Kunst-, Film- und Theaterszene verweisen. Und auch bei ihr gibt es Strickrunden: Jeden Mittwochabend kann man in gemütlicher Atmosphäre Tipps und Strickmuster austauschen, exotische  Garne (z. B. von Yak, Lama und Babykamel) bewundern und gemeinsame Projekte in Angriff nehmen.

Eigene Alpakazucht

Befördert durch das Internet, ist das ehemals verstaubte Strick-Image längst einem Boom gewichen. „Das merkt man auch daran, dass die Nachfrage nach Topmaterialien wie Kaschmir- oder Alpakawolle wächst, ebenso wie nach speziellen Labels, die hand- und pflanzengefärbte Produkte anbieten“, sagt Scherzer. In eine ähnliche Kerbe schlägt Helga Wohlgemuth: „Statt billiger Wolle mit viel Acryl werden verstärkt natürliche Produkte nachgefragt – 30 bis 40 Prozent stammen bereits aus kontrolliert biologischem Anbau.“ Wie gut, dass ihr Sohn eine eigene Alpakazucht betreibt. Die frisch versponnene Wolle wird weder gefärbt noch  gebleicht oder mit Chemikalien gewaschen und ist somit bestens für Allergiker geeignet.

Statt billiger Wolle mit viel Acryl werden verstärkt natürliche Produkte nachgefragt – 30 bis 40 Prozent stammen bereits aus kontrolliert biologischem Anbau.

Die neue Wolllust

Heutzutage werden gerade auch viele junge Mütter wieder von der Wolllust gepackt. Selbstgestricktes für die Kinder ist wieder „in“. Wohl auch deshalb, weil jedes
Strickstück eine persönliche Note aufweist. „Früher hat man gestrickt, um sich etwas zu ersparen. Heute ist es etwas Besonderes, weil – trotz Strickvorlagen – echte
Unikate entstehen“, weiß Wohlgemuth um die Motivation der Strick-Fans – zu denen übrigens auch so mancher Mann zählt. Aber auch die Jüngsten greifen schon zur Nadel. So bietet die Wollmeile Wien 14-täglich Kinderstrickkurse (ab acht Jahren) an. „Immer wieder“, so Kursleiterin Barbara Stehrer, „erstaunen mich die Kinder mit ihrer Kreativität und ihren Ideen.“

„Aber mittlerweile“, betont Elmar Sautter, „sind viel mehr Eltern bereit, einen guten Preis für hochwertige Kinderkleidung zu zahlen.“ Die noch dazu gut und gerne an jüngere Kinder „weitervererbt“ werden kann.

Trend zu hochwertiger Ökowollbekleidung für Kinder

„Wir werden mit Aufträgen derzeit überschüttet, sind logistisch und produktionstechnisch an unserer Kapazitätsgrenze angelangt“, stöhnt Gabriele Kolompar und ist sich durchaus bewusst, dass sie auf hohem Niveau jammert. Denn die Geschäftsführerin der Firma Engel, die Wäsche und Bekleidung aus Naturfasern herstellt,
kann sich über eine Umsatzverdopplung binnen vier, fünf Jahren freuen – ein Boom, der auch eine Personalaufstockung um 80 Prozent nach sich zog.

Ihr Kollege Elmar Sautter, Manager von disana Naturtextilien, weiß ebenfalls von einer steigenden Tendenz samt „30-prozentiger Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr“ und der „Schaffung neuer Arbeitsplätze in Deutschland“ zu berichten. Interessanterweise sind die beiden Marktführer der ökologisch und sozial verträglichen Textilszene in der Region Schwäbische Alb gleichsam Nachbarn, da in nur knapp fünf Kilometern Entfernung beheimatet. „Hier ist die Textilhochburg Süddeutschlands“, sagt Sautter, dessen Eltern ebenso wie jene von Gabriele Kolompar Anfang der 1980er-Jahre zu den Mitbegründern der Naturtextilienszene gehörten.

Während sich disana auf zeitlose, hochwertige Walk- und Strickmode ausschließlich für Kinder fokussiert hat, ist Engel in puncto Sortimentsvielfalt führend – von
flauschig-weicher Frühchenwäsche über Kinderbekleidung für jede Gelegenheit und jedes Wetter bis hin zu Unterwäsche und Sportbekleidung für Erwachsene.
Beide Unternehmen verarbeiten pro Jahr jeweils mehr als 100 Tonnen Garne von Merinoschurwolle aus Patagonien (Argentinien), produzieren aber zu 100 Prozent in Deutschland und wurden von akkreditierten Zertifizierungsinstituten mit dem Global Organic Textile Standard (GOTS) und dem noch strengeren IVN-BEST-Gütesiegel ausgezeichnet. Diese Qualität hat natürlich ihren Preis. „Aber mittlerweile“, betont Elmar Sautter, „sind viel mehr Eltern bereit, einen guten Preis für hochwertige Kinderkleidung zu zahlen.“ Die noch dazu gut und gerne an jüngere Kinder „weitervererbt“ werden kann.

www.engel-natur.de
www.disana.de

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