Ernährung

„Wir brauchen Sortenvielfalt, damit die Vielfalt des Geschmacks nicht verloren geht“

Interview mit Barbara Van Melle, Organisatorin des "Kruste & Krume"-Brotfestivals und Betreiberin des Backateliers "Kruste & Krume".

Barbara Van Melle, Organisatorin des Brotfestivals „Kruste & Krume“, über die Faszination des Lebensmittels Brot, die Sortenvielfalt in Österreich und warum Kinder vom Backen fasziniert sind.

Sie veranstalten in Ihrem Backatelier „Kruste & Krume“ auch Brotbackkurse für Kinder. Warum ist es wichtig, schon Kindern die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln näherzubringen?
Van Melle: Kinder werden nicht als kulinarische Vollidioten geboren. Es ist sehr entscheidend, wie Kinder mit Essen aufwachsen. Kinder haben immer einen lustvollen Zugang zu allem, was sie machen. Bei uns erhalten Volksschulklassen ein sinnliches Erlebnis. Sie sehen, riechen und schmecken, wie aus den Zutaten etwas Köstliches wie ein frisches Brot entsteht. Diese Erlebnisse bleiben ihnen ein Leben lang in Erinnerung und prägen das künftige Essverhalten nachhaltig. Brot und Gebäck spielen dabei als wichtigste Lebensmittel eine entscheidende Rolle.

Spielt da nicht auch die Einkommenssituation der Eltern eine Rolle? Nicht alle können sich oft teure handwerklich erzeugte Lebensmittel leisten.
Wenn man Menschen vernünftig den Mehrwert eines guten Produktes wie eines handwerklich hergestellten Brotes mit gesunden Zutaten erklärt, ist Geiz nicht mehr geil. Die industriell gefertigten Backwaren und aufgebackenen Teiglinge verleiten ja zum Kauf von zu viel Stück, die dann rasch steinhart und weggeworfen werden. Da bin ich mit handwerklich hergestelltem Brot, dass sich auch eine Woche ohne Geschmacks- und Konsistenzverlust hält, oft günstiger dran. Und Brot und Gebäck sind jene Lebensmittel, die man wirklich am besten täglich frisch beim Bäcker kaufen sollte. In Frankreich würde niemand Baguettes auf Vorrat kaufen. Die kauft man täglich frisch.

Barbara Van Melle
Individualität und regionale Spezialitäten sind für kleine Bäcker überlebenswichtig.

Barbara Van Melle

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Trotzdem sperren in Österreich 60 Bäckereien pro Jahr zu. Ist uns das Brot so wurscht?
Gutes Essen ist den meisten von uns sicherlich nicht egal. Allerdings gab und gibt es im Backgewerbe die Tendenz, einheitliche Backmischungen zu verwenden. Das ist für die Bäcker günstiger und erleichtert auch die schwere Arbeit. Der Nachteil ist aber, dass alle das gleiche Sortiment anbieten. Und seit die Supermärkte mit ihren Backshops am Markt aufgetreten sind, können die Bäcker preislich mit ihrer Einheitsware nicht mehr mithalten. Individualität und regionale Spezialitäten sind gerade für Bäcker überlebenswichtig, um sich am Markt zu behaupten. Das entdecken auch immer mehr junge Bäcker, die etwas Besonderes herstellen wollen und sich so vom Einheitsmarkt abheben. Sortenvielfalt ist keine rückwärtsgewandte Romantik, sondern für kleine Handwerksbetriebe zur Überlebensfrage geworden.

Fehlt für eine wirkliche Sortenvielfalt nicht auch die Vielfalt auf dem Acker?
Die fehlt mit Sicherheit und gehört gefördert. Viele alte Getreidesorten werden ja nicht mehr angebaut, weil die Erträge viel niedriger sind als etwa bei Hochleistungsweizen. Durch regionales Bäckerhandwerk gibt es aber wieder eine Nachfrage nach diesen Sorten. Die Landwirte können wieder von ihrem Anbau leben, und die Konsumenten erhalten gesunde Backwaren, etwa mit geringerem Glutenanteil.

Was wollen Sie mit dem Brotfestival in der Wiener Marx-Halle am 23. März erreichen?
Wir wollen Konsumenten mit Landwirten, Bäckern und Müllern zusammenbringen. Sie sollen die Vielfalt bei handwerklich hergestelltem Brot und Gebäck sehen, riechen und schmecken. Durch dieses Wissen werden die Konsumenten mündiger und fragen hoffentlich öfter nach handwerklich erzeugten Backwaren. Nur so besteht die Möglichkeit, dass kleine Bäcker langfristig auch am Markt überleben können.

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