Politik

Wertestudie: Was wirklich zählt

Seit 1990 nimmt Österreich an der alle acht bis neun Jahre stattfindenden Europäischen Wertestudie teil. Jetzt wurden die Ergebnisse für 2018 veröffentlicht.

44 Staaten beteiligen sich an der Europäischen Wertestudie EVS (European Values Study), in der Tausende Europäer im Abstand von acht bis neun Jahren über ihre Einstellung zu Themen wie Politik, Familie, Arbeit oder Religion befragt werden. Vor wenigen Tagen wurden die Ergebnisse der letzten Befragung veröffentlicht. Die wichtigste Veränderung gegenüber der letzten Umfrage 2008: Der Stellenwert der Arbeit hat für die Menschen stark an Bedeutung verloren, Familie, Freunde und Bekannte sowie eine erfüllte Freizeit sind hingegen wichtiger geworden.

Zentrale Lebensfelder

In den zentralen Lebensfeldern der Menschen hat sich die Wertigkeit in den letzten drei Jahrzehnten deutlich verschoben.

  • War die Familie im Jahr 2008 nur für 79 Prozent der Befragten „sehr wichtig“, so liegt dieser Wert heute bei 87 Prozent.
  • Freunde und Bekannte sind heute für 61 Prozent der Befragten wichtig, 1990 lag dieser Wert erst bei 35 Prozent.
  • Die Arbeit verliert stark an Bedeutung. War sie 1999 noch für 66 Prozent der Befragten „sehr wichtig“, ist sie es heute nur mehr für 48 Prozent. Die Menschen legen heute viel stärkeren Wert auf eine gute Work-Life-Balance.
  • Die Bedeutung der Religion hat gegenüber der letzten Befragung vor zehn Jahren weiter nachgelassen. Heute ist sie nur mehr für 16 Prozent der Befragten „sehr wichtig“.
  • Stabil zeigen sich die niedrigen Werte für die Politik. Seit 1999 ist diese für 10 Prozent der Befragten „sehr wichtig“.

Angenehme Arbeitszeiten sind wichtig

Überraschend fallen die Detailergebnisse im Bereich Arbeit aus. Zwar ist gute Bezahlung nach wie vor jener Wert, den die meisten Menschen für „sehr wichtig“ halten (69 Prozent der Befragten), aber gleich 63 Prozent die Befragten gaben „angenehme Arbeitszeiten“ als ebenfalls „sehr wichtig“ an. Damit hat sich die Bedeutung dieses Wertes gegenüber 1990 fast verdoppelt. Das „Gefühl, etwas zu erreichen“ ist für 58 Prozent der Menschen wichtig, ebenso die „Möglichkeit, eigene Initiative zu entfalten„(55 Prozent).

Für die Expertinnen und Experten der Universität Wien, welche den österreichischen Teil der Europäischen Wertestudie durchführt, sind diese Ergebnisse nicht überraschend, denn diese Verschiebung hin zu „weichen“ Werten ist ein seit Jahren am Arbeitsmarkt zu beobachtendes Phänomen.

Überraschend ist auch die Beantwortung folgender Detailfrage zum Thema Arbeit. Nur 13 Prozent der Befragten stimmten der Aussage „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ voll und ganz zu. 1999 waren es bei der gleichen Frage noch 26 Prozent.

Ebenfalls völlig verändert hat sich das klassische Rollenbild. Die Aussage „Wenn die Arbeitsplätze knapp sind, haben Männer eher ein Recht auf Arbeit als Frauen“ lehnen 2018 67 Prozent der Befragten ab, nur 15 Prozent stimmen voll und ganz zu. Vor 30 Jahren stimmten noch 50 Prozent voll und ganz zu.

Treue und Kinder sind in der Partnerschaft wichtig

Interessant sind auch einige Werteveränderungen im Bereich der Partnerschaft oder Ehe. Treue ist 2018 für 81 Prozent der Befragten in einer Partnerschaft wichtig, damit geht dieser Wert ganz  leicht gegenüber der letzten Befragung 2008 zurück (82 Prozent). Kinder sind mit 60 Prozent heute wieder so wichtig wie zuletzt 1999. Ein angemessenes Einkommen wird für eine Partnerschaft 2018 allerdings bei weitem als nicht so wichtig wie noch vor zehn Jahren angesehen. Nur 37 Prozent der Befragten gaben in diesem Punkt an, dass das in einer Partnerschaft „sehr wichtig“ sei. 2008 waren es noch 45 Prozent. Ebenfalls zurückgegangen ist die Bedeutung des Teilens der Hausarbeit. Das sehen nur mehr 29 Prozent der Befragten als wichtig für eine Partnerschaft an. 2008 lag dieser Wert noch bei 36 Prozent.

 

Geschlechterrollen im Wandel

Im Wandel befinden sich auch traditionelle Geschlechterrollen. Der Aussage „Kleinkinder leiden wahrscheinlich bei berufstätigen Müttern“ stimmen heute nur mehr 53 Prozent der Befragten zu. 1999 waren es noch 83 Prozent. Die Aussage „Was Frauen wirklich wollen, ist Heim und Kinder“ ist nur mehr für 40 Prozent der Befragten sehr richtig, vor 30 Jahren waren es noch 83 Prozent. Nur mehr 32 Prozent finden es richtig, dass der Mann das Geld verdienen geht und die Frau zuhause bei den Kinder sein soll.

Erziehungsziele ändern sich

Folgende Eigenschaften sollten Kinder im Elternhaus erlernen:

  • Gute Manieren sind für 80 Prozent der Befragten ein wichtiges Erziehungsziel. Dieser Wert ist seit 30 Jahren stabil.
  • Verantwortungsgefühl wollen 80 Prozent der Befragten ihren Kindern vordringlich vermitteln, 1999 lag dieser Wert noch bei 86 Prozent.
  • Toleranz und Respekt sind für 73  Prozent der Befragten wichtige Werte, die Kindern in der Familie vermittelt werden sollten.
  • Entschlossenheit und Ausdauer sind für 42 Prozent Werte, die sie dringend an die Kinder weitergeben wollen. Hier lag der Wert 2008 übrigens erst bei 29 Prozent.
  • Sparsamkeit hat als Erziehungsthema deutlich verloren. 1990 war es noch für 54 Prozent der Eltern ein wichtiger Wert, heute ist Sparsamkeit nur mehr für 37 Prozent wichtig.

Hohe Zufriedenheit mit dem eigenen Leben

Die Österreicher sind 2018 mit ihrem Leben so zufrieden wie noch nie seit die Europäische Wertestudie durchgeführt wird. 71 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher gab an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. 2008 waren um 10 Prozent weniger (61 Prozent). Unzufrieden mit ihrem Leben sind nur drei Prozent der Befragten, 2008 lag dieser Wert von bei 6 Prozent.

Politisches Interesse bleibt stabil

Wenig Veränderung gegenüber 2008 gibt es im Bereich des politischen Interesses. 20 Prozent gaben 2018 an, sehr an Politik interessiert zu sein, 40 Prozent sind etwas interessiert. Vor zehn Jahren lagen die Werte bei 18 bzw. 38 Prozent. Die Zahl der an Politik überhaupt nicht Interessierten liegt mit 13 Prozent etwas unter dem Wert von 2008 (17 Prozent).

Gute Nachrichten für alle, die Demokratie für die beste Regierungsform für Österreich halten. 100 Jahre nach Gründung der Republik Österreich halten 96 Prozent diese Regierungsform für die beste Möglichkeit. Eine starken Führer wünschen sich heute nur mehr 16 Prozent, 2008 waren es noch 24 Prozent der Österreicher.

Eher zufrieden (38 Prozent) oder vollkommen zufrieden (18 Prozent) sind die Österreicher mit dem derzeitigen politischen System in Österreich. Gar nicht zufrieden sind nur 6 Prozent.

Großes Vertrauen in die Polizei

Quer durch alle Bereiche haben die wichtigen Institution des Staates und der Zivilgesellschaft an Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen. Am vertrauenswürdigsten halten die Österreicher 2018 die Polizei. 87 Prozent haben in die Exekutive sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen, knapp gefolgt vom Gesundheitswesen (83 Prozent), dem Sozialversicherungssystem (74 Prozent), dem Rechtssystem (72 Prozent), dem Bildungssystem (68 Prozent), dem Bundesheer (67 Prozent), Umweltschutzorganisationen (61 Prozent), der öffentlichen Verwaltung (59 Prozent) und den Gewerkschaften (51 Prozent). Letztere konnten insgesamt den größten Vertrauenszuwachs verbuchen, denn 2008 lag der Wert der Gewerkschaften hier bei nur 29 Prozent. Im Vertrauensindex verloren haben Presse und Zeitungswesen, in die nur mehr 30 Prozent der Befragten sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen haben. Immerhin 20 Prozent der Befragten vertrauen den Sozialen Medien.

Deutsch gehört zur nationalen Identität

Keinen Zweifel lässt die Europäische Wertestudie 2018 daran, was wirklich wichtig ist, um österreichisch zu sein. Deutsch sprechen zu können ist hier für 69 Prozent der Befragten sehr wichtig. Noch wichtiger ist den Österreichern für das Österreichersein das Respektieren der politischen Institutionen und Gesetze im Land (70 Prozent). Kaum Bedeutung hat die Abstammung der Personen. Nur 16 Prozent halten es für die nationale  Identität wichtig, österreichische Vorfahren zu haben. 2008 lag dieser Wert noch bei 26 Prozent. Auch in Österreich geboren worden zu sein, ist nur mehr für 24 Prozent der Befragten ein wichtiger Faktor für das Österreichischsein. 2008 lag der Wert hier noch bei 39 Prozent.

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