Erziehung

Wenn Kinder mit 4 Jahren noch eine Windel tragen

Sauber werden braucht Zeit – das wissen Eltern heute und gehen entspannt damit um – bis das Kind vier Jahre alt wird. Dann ist es plötzlich ein Riesenthema, wenn ein Kind noch eine Windel trägt.

kind 4 jahre braucht noch windel

Sauber werden, keine Windel mehr – neben dem Thema Durchschlafen ist die Sauberkeitserziehung wohl eines der größten Erziehungsziele. „Ist er/sie denn schon sauber?“ ist bei vielen Eltern genauso gefürchtet wie „Schläft er/sie denn schon durch?“ – dennoch: Dank Waschmaschine und Wegwerfwindeln herrscht weitgehend mehr Gelassenheit und Entspannung beim Sauberwerden. Kinder bekommen Zeit. Zumindest mehr Zeit. Rückt aber der vierte Geburtstag in greifbare Nähe und ist die Windel noch immer nicht weg, werden Eltern besorgt und unruhig.

Vorweg: Trocken werden ist keine Erziehungssache, es ist nichts, was Eltern schaffen oder anleiten müssen. Dennoch suggeriert das Wort Sauberkeitserziehung, dass aktives Zutun erforderlich ist.  Trägt dann ein Kind mit vier Jahren oder älter noch eine Windel, fühlen sich Eltern wie Versager. Dann kommen andere Mütter, die erzählen, dass ihr Kind schon mit eineinhalb Jahren sauber war. Der Kindergarten übt Druck aus, dass das Kind schon windelfrei sein muss, wenn es in die große Gruppe kommt. Und dann kommen Großeltern die sagen, dass Kinder früher viel früher sauber waren. Keine leichte Situation.

Aber: Dass Kinder mit vier Jahren noch eine Windel tragen ist laut Experten kein Problem. Ihr Kind hat deswegen keine Nachteile, ist in der Entwicklung nicht weiter hinten oder dumm. Bleiben Sie im Umgang mit dem Thema entspannt. Zudem stellt sich auch die Frage, wann Ihr Kind noch eine Windel trägt:

  • Unterscheidung zwischen Tag und Nacht: Trägt Ihr Kind nachts noch eine Windel, seien Sie beruhigt. Es ist ein Hormon dafür zuständig, das nicht nur die Harnproduktion reduziert, sondern dem Gehirn meldet, dass die Blase voll ist und entleert werden muss. Solange es dieses Hormon nicht gibt, kann die Nacht nicht trocken verlaufen.
  • Untertags: Nutzen Sie die warme Jahreszeit und lassen Sie Ihr Kind möglichst viel windelfrei herumlaufen und nehmen Sie Ihr Kind gerne auf die Toilette mit. Es gibt Kinder, die genießen die Wickelzeit und die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern sehr – vielleicht kann diese lieb gewonnene Nähe durch ein anderes Ritual untertags ersetzt werden.
  • Ihr Kind war schon trocken und nässt wieder ein? Rückschläge sind normal, etwa durch Krankheit, Stress, einen Entwicklungsschritt oder auch Verunsicherung durch einen Umzug, einen Kindergartenwechsel, die Trennung der Eltern, Streit mit einem Freund oder die Geburt eines Geschwisterchens.
Das Wichtigste: Sauberwerden soll Spaß machen und nicht mit Zwang oder Druck verbunden sein!

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Der Unterschied zwischen zwischen „trocken werden“ und „trocken werden“

Außerdem gibt es zwischen „trocken werden“ und „trocken werden“ es einen Unterschied: Früher, in der Großelterngeneration, war es vollkommen normal, Kinder schon mit einem Jahr mehrmals täglich in fixen Abständen auf den Topf zu setzen – klar, es ging dann nichts in die Windel, doch dieses Sauberwerden hat mit einer selbständigen Blasen- und Darmkontrolle, von der heute die Rede ist, nichts zu tun. Erst wenn Kinder selbständig und ohne Erinnerung zur Toilette gehen, sind sie sauber.

Studien zur Sauberkeitserziehung

Wir haben es Remo H. Largo und seinen Studien zu verdanken, dass es heute beim Thema Sauberwerden Gelassenheit gibt. Er beobachtete über viele Jahre nicht nur wie sich die Sauberkeitserziehung änderte, sondern auch, dass es keinen Unterschied macht, ob Kinder schon mit einem Jahr regelmäßig auf den Topf gesetzt wurden oder erst später. Alle Kinder wurden in einem ähnlichen Zeitraum sauber – heißt: Eltern müssen nicht aktiv werden und mit ihrem Kind trainieren, sondern sie können abwarten, Anreize bieten und Vorbild sein.

Trockenwerden ist ein Reifungsprozess, der genauso wenig wie Laufen oder Sprechen beschleunigt werden kann.

Dass Kinder auch mit Töpfchentraining nicht früher trocken werden hat einen einfachen Grund: Die Darm- und Blasenkontrolle wird vom Gehirn gesteuert und ist ein Reifungsschritt, der bei jedem Kind individuell angelegt ist. Es gibt günstige Zeitfenster, die Eltern nutzen können um das Interesse zu wecken, aber wenn ein Kind noch nicht bereit ist, dann kann die Entwicklung auch nicht beschleunigt werden.

kind will nicht aufs töpfchen

Ist mein Kind schon so weit?

Es gibt ein paar Voraussetzungen, die für das Trockenwerden erfüllt sein müssen:

  1. Ihr Kind sollte den Vorgang in seinem Körper beschreiben können, etwa durch Lulu, Pipi oder Klo – um das zu schaffen müssen die Nervenbahnen, die dem Gehirn „Blase oder Darm voll“ übermitteln, ausgereift sein
  2. Achten Sie darauf, ob Ihr Kind schon selbständig Stiegen hinunter gehen kann – dann sind alle Muskeln, die für die Sauberkeit nötig sind, fertig ausgebildet
  3. Die Windel sollte über längere Zeiträume (3-4 Stunden) trocken bleiben
  4. Ihr Kind kann sich die Hose alleine an- und ausziehen
  5. Eigenmotivation: Ihr Kind muss auch sauber werden wollen

Wenn Sie diese Anzeichen wahrnehmen und beobachten, ist es ein guter Zeitpunkt, ein Töpfchen anzubieten. Es kann dann gleich klappen und Ihr Kind nimmt die Veränderung gut an, es kann aber auch dauern.

Bleiben Sie geduldig und planen Sie ein paar Waschgänge mehr ein!

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Die Sache mit der Darm- und Blasenkontrolle

Die Darmkontrolle ist für Kinder viel einfacher zu erlernen: Sie ist nicht nur deutlicher spürbar, sondern meist auch nur ein Mal pro Tag. Das klappt bei Kindern meist schnell. Anders verhält es sich bei der Blasenkontrolle: Die Blase hat nur ein sehr kurzes Vorwarnsystem – nämlich dann, bevor es schon fast zu spät ist. Frühere Signale werden im vertieften Spiel nicht immer wahrgenommen und so kann es schon passieren, dass es in die Hose geht. Und um das Harnlassen zu verhindern müssen der äußere Schließmuskel und der Beckenboden bewusst angespannt werden – das ist neben der Spielunterbrechung, dem Weg auf die Toilette, dem Ausziehen und dem Hinsetzen nicht einfach. Das sind für Kinder viele einzelne Schritte, die bei Erwachsenen automatisch ablaufen, bei Kindern aber bewusst durchgeführt werden müssen.

Und selbst wenn alle Anzeichen erfüllt sind gibt es Kinder, die einfach nicht auf die Toilette möchten und die Windel bevorzugen.

Warum Kinder nicht auf die Toilette wollen

Die meisten Kinder werden zwischen zwei und drei Jahren sauber – dauert es länger, sind Entspannung und Gelassenheit wichtig. Es gibt aber auch Kinder, die nicht auf die Toilette wollen. Das kann verschiedene Gründe haben:

  • Angst vor der Toilette, etwa ein Klomonster
  • Pipi geht auf die Toilette, den Stuhlgang halten Kinder oft zurück oder fordern dafür eine Windel
  • Schwierigkeiten mit dem Loslassen und dem Spülgang
  • Angst vor fremden Toiletten
  • Der Situationswechsel bereitet Schwierigkeiten
  • Volle Aufmerksamkeit beim Wickeln

Nehmen Sie diese Gründe unbedingt ernst und versuchen Sie Lösungen zu finden, etwa einen Anti-Klomonster-Spray, ein Abschiedsritual beim Spülgang oder lassen sie die Tür offen. Zeigen Sie Ihrem Kind auch die Alternative zur Windel und ermutigen Sie es, es Ihnen nachzumachen.

So wie auch sonst streben Kinder danach, möglichst vieles wie die Erwachsenen zu machen.

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(Sanftes) Töpfchentraining - ja oder nein?

Will es mit Gelassenheit und Entspannung so gar nicht klappen, wird die Sache mit dem Töpfchentraining in den Köpfen vieler Eltern lauter. Gegen ein sanftes „Training“ ohne Druck und viel spielerischen Elementen ist nichts einzuwenden: etwa, wenn Sie Ihr Kind auf die Toilette mitnehmen, wenn Sie gemeinsam Bücher zum Sauberwerden lesen oder Ihr Kind immer wieder freundlich daran erinnern, dass es gerne sagen kann, wenn es auf die Toilette oder das Töpfchen möchte.

Sobald eine Erwartungshaltung aufgebaut wird und Belohnungen oder Sticker für eine trockene Hose in Aussicht gestellt werden, wird es schwierig. Kinder schaffen es zwar erstaunlicherweise früh auf Anweisung ins Töpfchen zu machen und freuen sich über den Jubel ihrer Eltern, doch es ist ein Unterschied zwischen „selbst merken wann ich muss“ oder „auf Kommando Wasser lassen“. Spätestens wenn die regelmäßige Erinnerung der Eltern wegbleibt, kommt es zu Unfällen, die wiederum zu Frust auf beiden Seiten führen. Das Kind ist es enttäuscht, weil es die Belohnung nicht erhält, obwohl es sich wirklich bemüht hat und einfach noch nicht in der Lage ist, seine Blase zu kontrollieren und Eltern sind frustriert, wenn die Wäscheberge wieder wachsen und das Kind trotz aller Bemühungen noch nicht sauber ist. So macht Sauberwerden keinen Spaß.

Was Sie statt Töpfchentraining tun können

  • Geduld und Verständnis für diesen schwierigen Entwicklungsschritt aufbringen
  • Seien Sie bereit, Ihr Kind mehrmals täglich auf die Toilette zu begleiten
  • Schon bei den ersten Anzeichen wie Unruhe oder auf der Stelle trippeln an die Toilette oder den Topf erinnern – aber nicht zwingen
  • Seien Sie ein Vorbild! Ihr Kind möchte möglichst viel so machen wie Sie – zeigen Sie ihm die Alternative zur Windel
  • Wählen Sie Kleidung, die Ihr Kind selbst an- und ausziehen kann
  • Lassen Sie Ihr Kind möglichst viel nackt herumlaufen
  • Ermutigen Sie Ihr Kind immer wieder Ihnen zu sagen, dass es gerne auf die Toilette möchte
  • Halten Sie einen Topf oder eine Toilettentreppe bereit, damit Ihr Kind die Füße abstellen kann – das ist für die Entspannung vom Beckenboden wichtig

Bitte verzichten Sie auf:

  • Belohnungen oder Bestrafungen
  • Reduktion der Trinkmenge
  • Wecken Sie Ihr Kind nachts nicht auf und setzen Sie es nicht einfach auf die Toilette – damit fördern Sie nächtliches Einnässen!

Sauber werden ist ein Reifungsprozess, der gerne von außen begleitet und angestupst werden kann, aber auch ohne Ihr Zutun gelingen wird.

 

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