Gesundheit

Wachstumsstörungen: Ist mein Kind zu klein?

Wenn ihr Kind im Vergleich zu Gleichaltrigen deutlich zu klein oder zu groß ist, machen sich Eltern verständlicherweise Sorgen. Zur Abklärung, ob es sich um eine Wachstumsstörung handelt, sollte auf jeden Fall ein Kinderarzt aufgesucht werden.

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Kinder wachsen normalerweise in drei Phasen. Die erste Phase dauert von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr und bringt eine Verdoppelung der Körpergröße mit sich. In der zweiten Phase bis zur Pubertät wachsen sie langsamer, nämlich fünf bis sechs Zentimeter pro Jahr. In der dritten Phase, der Pubertät, kommt es zu Wachstumsschüben, Kinder wachsen praktisch über Nacht. Erst wenn die Wachstumsfugen geschlossen sind, ist das Wachstum vorbei. Mädchen erreichen durchschnittlich im Alter zwischen 13 und 15 Jahren das Ende des Wachstums. Bei Knaben dauert es etwas länger. Sie erreichen ihre endgültige Körpergröße erst im Alter von 14 bis 17 Jahren.

Vergleiche mit gleichaltrigen Kindern sind aber mit Vorsicht zu genießen, denn Kinder wachsen nicht alle gleich schnell. Wächst das Kind kontinuierlich, sollte man sich nicht all zu viele Sorgen machen. Auch die Größe der Eltern spielt eine Rolle. Sind beide Elternteile von eher kleinerer Statur, wird ihr Kind wohl ebenfalls kein Riese sein. Dasselbe gilt auch für Kinder von großgewachsenen Eltern.

Wachstumskurven geben Klarheit

Um das Wachstum von Kindern zu kontrollieren und eventuelle Abweichungen früh zu erkennen, trägt der Kinderarzt bei jedem Besuch die Körpergröße und das Gewicht des Kindes in eine Wachstums- oder Perzentilenkurve ein. „Für die Körpergröße, genau so wie für Gewicht, Körperproportionen oder Kopfumfang wurden populationsspezifische alters-, und geschlechtsabhängige Referenzwerte entwickelt. Diese sind die so genannten Wachstums- oder Perzentilenkurven, die vom Kinderarzt bei den Gesundheitsuntersuchungen für die Beurteilung des individuellen Wachstums eines Kindes verwendet werden. Diese Größenvergleichskurven zeigen, wie unterschiedlich die Größe eines Kindes zu der eines Gleichaltrigen ist“, erklärt Diana-Alexandra Ertl, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde. Solange das Wachstum des Kindes im Normalbereich, auch im oberen oder unteren, liegt, liegen keine Wachstumsstörungen vor. Entscheidend ist das Wachstum im Verlauf der Entwicklung.

Ausführliche Abklärung

Am Beginn einer diagnostischen Abklärung bei Klein- oder Großwuchs stehen also die korrekte Messung der Körpergröße, eine ausführliche Familiengeschichte und eine körperliche Untersuchung. „Die Körpergröße, die Beurteilung der Körperproportionen beziehungsweise der Pubertätsentwicklung können oft ohne Laboruntersuchungen zwischen sogenannten Normvarianten wie familiärem Kleinwuchs und einer konstitutionellen Entwicklungsverzögerung – eine spätere Entwicklung der Pubertät – und einer Wachstumsstörung unterschieden werden. Falls eine Wachstumsstörung vermutet wird, ist eine Blutabnahme erforderlich, um eine chronische Erkrankung wie zum Beispiel Nieren-, Leber- oder Darmerkrankungen, hormonelle Ursachen wie Schilddrüsenunterfunktion, Wachstumshormonmangel beziehungsweise eine angeborene, genetische Pathologie wie zum Beispiel das Turner Syndrom auszuschließen. Der Wachstumshormonmangel und die oben genannten genetischen Ursachen sind sehr seltene Störungen. Die Prävalenz des Wachstumshormonmangels wird zwischen    1 : 4.000 bis 1 : 30.000 angegeben“, so Ertl.

Hormonbehandlung

Wird vom Arzt ein Wachstumshormonmangel festgestellt, können die fehlenden Hormone mittels Medikamenten zugeführt werden. „Eine wachstumsfördernde Therapie mit rekombinantem Wachstumshormon wurde in der EU für bestimmte Wachstumsstörungen zugelassen, bei denen in Studien zumindest ein geringer Zugewinn an Erwachsenengröße von fünf bis sieben Zentimetern oder auch eine Normalisierung beim seltenen Mangel an Wachstumshormonen gezeigt werden konnte“, so Ertl. Zwei von drei behandelten Kindern erreichen so als Erwachsene eine normale Körpergröße. Die Hormonbehandlung dauert in der Regel bis zum Ende des Wachstums an. Die Normvarianten zum Beispiel bei familiärem Kleinwuchs und konstitutioneller Entwicklungsverzögerung sind keine Indikation für eine Therapie mit Wachstumshormon.

Seelische Ursachen

Abweichungen von der Wachstumskurve können aber nicht nur körperliche Ursachen haben, sondern auch seelische. Denn auch Vernachlässigung und das Fehlen von Zuneigung und Liebe können das Wachstum eines Kindes stören. Man spricht dabei von psychosozialem Kleinwuchs. Hier sind das Eingreifen eines Kinderpsychologen und eine Familientherapie anzuraten, denn die vorhandenen Lebensbedingungen des betroffenen Kindes müssen zu seinem Wohl geändert werden.

Ist Vorbeugung möglich?

Wachstumsstörungen vorzubeugen, ist nur in gewissem Maß möglich. Wichtig für das Wachstum des Kindes ist zum Beispiel gesunde, ausgewogene Ernährung. Isst ein Kind zu wenig oder zu einseitig, ist also fehl- oder mangelernährt und leidet unter extremen Vitamin- und Mineralstoffmangel, kann sich das negativ auf das körperliche Wachstum auswirken. Neben gesunder Ernährung ist auch ausreichend Bewegung an der frischen Luft für die körperliche Entwicklung empfehlenswert.

Psychische Probleme

Kinder, die bei der Körpergröße von der Norm abweichen, leiden oft auch unter psychischen Problemen. Da sie augenscheinlich kleiner oder größer sind als ihre Klassen- oder Spielkameraden, werden sie vielleicht gehänselt oder ausgeschlossen. Sind Kinder zu klein, sehen sie auch jünger aus und haben Schwierigkeiten, bestimmte Tätigkeiten wie das Öffnen von Türen auszuführen. Auch beim Schulsport können Probleme entstehen, wenn alle anderen mindestens einen Kopf größer sind und etwa beim Ballspielen den „Kleinen“ einfach überspielen. Sind Kinder zu groß, versuchen sie, durch eingezogene Schultern, abgeknickte Beine oder schlechte Haltung in der Menge zu verschwinden. Das kann in späterer Folge eventuell zu Problemen mit der Wirbelsäule führen.

Es ist daher wichtig, dass Eltern und Geschwister dem Kind deutlich zeigen, dass sie es so lieben, wie es ist und dass sie uneingeschränkt hinter ihm stehen. Es sollte auch offen über die Ursachen der Wachstumsstörung gesprochen werden, damit das Kind versteht, was in seinem Körper vorgeht und warum seine Entwicklung anders abläuft als die seiner Freunde. Vielleicht war auch der Vater oder die Mutter ein „Spätzünder“ in Sachen Wachstum. Erfahrungsberichte zeigen Kindern, dass sie nicht alleine sind. „Es wäre wünschenswert, in unserer Gesellschaft eine größere Akzeptanz von Unterschiedlichkeit bezüglich der Varianz von Körpermerkmalen wie Größe zu etablieren und dennoch behandlungspflichtige Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln“, erklärt Kinderärztin Diana-Alexandra Ertl.

Kinder wachsen nach einem genetisch gesteuerten Muster

Dr.Diana-Alexandra Ertl

https://kinderklinik.meduniwien.ac.at/

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