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„Verzeihen heißt Frieden schließen mit der Vergangenheit“

Interview mit Mag. Anna Püspök, Dipl. Psychologische Beraterin, Coach und Kräuterexpertin in Wien.

Welche Dinge können Frauen unter Umständen nicht verzeihen?
In meiner Praxis beobachte ich das etwa bei einem Seitensprung des Partners oder der Partnerin, Kränkungen in der Kindheit oder einem Vertrauensbruch in Freundschaften. Genauso kann es aber auch sein, dass man sich selbst etwas nicht verzeihen kann – wenn man zum Beispiel eine Entscheidung mit weitreichenden Auswirkungen getroffen hat, die man später bereut.

Warum ist es für viele so schwer, zu vergeben?
Ich glaube, das hängt sehr mit dem Verständnis des Begriffs zusammen: Viele Menschen sind der Meinung, dass etwas zu vergeben auch gleichzeitig bedeutet, dass man sich mit dem, was geschehen ist, einverstanden erklärt. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich innerlich etwas dagegen sträubt, zu verzeihen – das käme ja einem Gesichtsverlust gleich.

Was können die psychischen und körperlichen Folgen sein, wenn Groll und Kränkung über lange Zeit anhalten?
Negative Emotionen können, wenn sie nicht aufgelöst werden, der Gesundheit langfristig schaden. Als Reaktion auf Groll und Kränkung schüttet der Körper Stresshormone aus. Dauert die emotionale Belastung über einen längeren Zeitraum an, macht sich das etwa durch Schlafstörungen, Nervosität, Herz-Kreislauf- Störungen, Immunschwäche, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten, Diabetes oder Verdauungsprobleme bemerkbar. Anhaltender Stress schwächt unser Gehirn und die Organe nachhaltig.

Warum ist es so wichtig, trotz großem Schmerz zu vergeben?
Die möglichen Folgen für die eigene Gesundheit zeigen, dass man sich am meisten selbst schadet, wenn man zu lange am Schmerz festhält. Es geht also gar nicht darum, das Gegenüber aus seiner „Schuld“ zu entlassen. Wenn ich verstanden habe, dass es mir selbst nützt, Frieden mit der Vergangenheit zu schließen, dann wird das Vergeben zu einem wichtigen Teil einer guten Selbstfürsorge. Etwas zu verzeihen, bedeutet
auch, die Position des Opfers abzulegen, Eigenverantwortung zu übernehmen und ein Stück Freiheit zu erlangen. Wir können uns zwar nicht aussuchen, womit wir im Leben konfrontiert werden, haben aber immer die Wahl, selbst zu entscheiden, wie wir darauf reagieren.

Vergeben ist Fürsorge für sich selbst! Negative Emotionen machen krank.

Mag. Anna Püspök, www.die-ichwerkstatt.at

Zitatzeichen

Gibt es Dinge, die tatsächlich unverzeihlich sind?
Das liegt sehr im subjektiven Empfinden der einzelnen Person und kann nur schwer allgemein beantwortet werden. Generell ist das Verzeihen umso schwieriger, je tiefer die zuvor erlittene Verletzung ist und je näher einem die Person steht, die diese verursacht hat. Geht es um (Gewalt-)Verbrechen, Todesfälle durch Fremdverschulden oder ähnliches, ist das natürlich besonders herausfordernd.

Wie kann eine Frau lernen, zu vergeben?
Wichtig ist, dem Schmerz erst einmal entsprechend Raum zu geben: Wut, Trauer, Enttäuschung dürfen und sollen sich zeigen – wie bei einer Wunde, die zuerst bluten und sich dadurch reinigen muss, bevor die Heilung beginnen kann. Hat man das Gefühl, im Schmerz festzustecken, ist es sinnvoll, sich für diesem Prozess professionelle Unterstützung zu holen.

Entscheidend für das Vergeben ist außerdem die innere Haltung: Etwas zu verzeihen, bedeutet nicht automatisch, das Geschehene gutzuheißen. Ich sehe Vergebung vielmehr als ein Frieden Schließen mit der Vergangenheit, als ein Annehmen dessen, was ohnehin nicht mehr geändert werden kann. Es ist gedanklich ein „Es ist, wie es ist“.

Natürlich spielt auch die Zeit eine Rolle. Sie bringt Abstand zum Geschehenen und dadurch die Chance, die Situation neu zu bewerten. So kann der Selbstwert wieder gestärkt werden. Ein gelungener Abschluss ist das Gefühl, dass mein Leben trotz (oder gerade wegen) dieser schmerzvollen Erfahrung wertvoll und lebenswert ist.

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