Erziehung

Meine Schwester ist adoptiert!

Die zweieinhalbjährige Lebo ist seit einem halben Jahr Leanders Schwester – aber es wirkt, als wäre es schon immer so gewesen.

„Wir waren in Berlin auf Urlaub. In einem Café ist neben uns eine Familie mit zwei adoptierten Kindern gesessen“, erzählt Leander, das L in TLC. T steht für Tanja, Leanders Mutter, C für Christian, Tanjas Mann und Leanders „Bonuspapa“. Tanja erzählt weiter: „Da hat Leandergesagt: ‚Können wir das auch machen?‘“ Christian:
„Leander hat sich schon immer ein Geschwisterchen gewünscht.“ Zu diesem Zeitpunkt – das war vor dreieinhalb Jahren – hatten Tanja Weber und Christian Melzer schon den Wunsch gefasst, ein Kind zu adoptieren – aber nur unter der Bedingung, dass Leander einverstanden ist. Mit seinem Kommentar im Café war klar, dass TLC sich um einen vierten Buchstaben bemühen würden.

Von TLC zu TLLC

Am Esstisch der Familie klettert die zweieinhalbjährige Lebo Leander gegenüber auf den Kindersessel, stützt das Kinn in die Hände und lächelt ihren Bruder verschmitzt an. Der spielt mit und macht es ihr gleich. Das aufgeweckte Mädchen kichert, und Leander stupst den Sessel, auf dem die Kleine sitzt, mit dem Fuß an, was das Kichern in ein Lachen verwandelt.

Lebo ist seit einem halben Jahr bei TLC, die jetzt TLLC heißen – die Buchstaben sind überall im Haus präsent. Obwohl das Mädchen durch ihre Hautfarbe offensichtlich andere biologische Eltern hat, wirkt die vierköpfige Familie, als ob sie schon immer zusammengehört hätte. Bis sie zusammenfand, hat es aber drei Jahre gedauert. Die ersten Informationen, die Christian und Tanja einholten, waren ernüchternd: Sie seien zu alt für eine Adoption. „Stell dir vor, wir hätten das geglaubt“, sagt Tanja zu Lebo, während sie sie im Arm hält, „dann wärst du nie zu uns gekommen.“

Tanja und Christian haben einen intensiven Vorbereitungskurs beim Verein Eltern für Kinder Österreich absolviert, der aus ihrer Sicht sehr gut war. In einem Teil ging es speziell um Adoptionen aus Südafrika, für die sich die beiden entschieden haben. In Niederösterreich, wo sie wohnen, hätten sie zu lange auf ein Baby warten müssen. Eine Auslandsadoption ist möglich, aber nur wenige Länder halten sich dabei an die Menschenrechtsrichtlinien, die so ausgelegt sind, dass etwa Kinderhandel verhindert wird. Südafrika ist ein solches Land, und da Christian beruflich viel in Afrika ist, war die Wahl klar.

Rückzieher jederzeit möglich

Im Kurs erfuhren die beiden, dass sie sich überlegen sollten, mit welchen Situationen sie später umgehen können würden und mit welchen nicht. Das wird beim Kindervorschlag in einem gewissen Rahmen berücksichtigt. Bis zur Adoption am Gericht ist es jederzeit möglich, einen Rückzieher zu machen. Schließlich ist viel unklar: Zwar werden nur gesunde Kinder vorgeschlagen und die Adoptiveltern kennen ihren gesundheitlichen Zustand genau. Aber die Herkunft des Kindes könnte unbekannt sein, es könnte aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen oder später Mobbing erleben, weil es adoptiert ist. Adoptiveltern sollten alle Szenarien im Kopf durchspielen.

Leander wurde in die Überlegungen einbezogen. Seine Eltern fragten ihn: „Was, wenn dein Geschwisterchen gehänselt wird?“ Seine Antwort: „Dann werde ich es mit all meiner Kraft verteidigen.“ Gewisse Zweifel seien normal, sagt Christian, aber die waren eher auf das Umfeld bezogen. Leander, Tanja und er haben die Entscheidung zur Adoption nie infrage gestellt. Im März 2017 bekam Tanja endlich einen Anruf, dass es einen Kindervorschlag für sie gebe. Die Freude war riesig, obwohl gerade alles drunter und drüber ging: „Leander war krank, Christian in Afrika und ich in der stressigen Endphase eines Auftrags.“ Christian buchte seinen Flug um, damit er beim Termin mit den Vermittlerinnen dabei sein konnte.

„Brother“

Erst im August konnten sie Lebo aus Johannesburg, wo sie geboren wurde, abholen. Der Tag, an dem sie sich das erste Mal begegneten, war der kälteste Tag des Jahres. Im gefliesten Eingangsbereich des kleinen Kinderheimes stellte eine Mitarbeiterin der frierenden Familie ihr neues Mitglied vor: „Das ist Ihr Kind.“ Lebo kannte bereits Fotos von Leander, Tanja und Christian, weil diese ihr ein Fotobuch geschickt hatten. Tanja erzählt die Szene, die wohl jeden Hollywoodfilm übertroffen hat: „Leander hat sich zur Lebo hinuntergekniet, und Lebo hat seine Zeigefinger in ihre Hände genommen und ‚Brother‘ gehaucht.“ Jetzt blättern TLLC in dem Fotobuch.
Tanja zeigt auf ein Foto und fragt Lebo ,wer das sei. „Mummy.“ Und wer ist das? „Daddy.“ Und das? „Lander.“ Lebo singt „Backe, backe Kuchen“ und ruft manchmal „Mein Gott!“, wenn sie erstaunt über etwas ist. Der Name ihres Bruders hat noch ein wenig Verbesserungspotenzial. Dafür stimmt das Rhythmusgefühl beim gemeinsamen Schlagzeugspielen schon jetzt sehr gut.

Tanja und Christian sind durch Lebo „noch einmal demütiger geworden“, denn sie erleben ein großes Glück, das sie nicht für selbstverständlich halten. Sie wollen
auch anderen Familien Mut zur Adoption machen, besonders in der aktuellen politischen Stimmungslage. Bis jetzt hat die Familie keine negativen Reaktionen erfahren. „Lebo ruft überall eine Woge der Begeisterung hervor. Wenn wir mit ihr irgendwo sind, öffnet sie die Herzen und zaubert jedem ein Lächeln auf die Lippen“, erzählt Tanja. Niemand, sagt Christian, sei dafür geboren, ein Kind zu adoptieren: „Das ist ein Prozess.“ Ein Prozess, den T, L, L und C jeden Tag, step by step, staunend beschreiten.

Infos zur Adoption

Adoption ist bundesländerweit geregelt. Prinzipiell gilt: Ein Kind wird in dem Bundesland zur Adoption freigegeben, in dem es geboren wird. Ein guter Überblick zu den Bedingungen für Adoption, dem Ablauf des Adoptionsverfahrens, den Voraussetzungen sowie Anlaufstellen findet sich auf help.gv.at.

Auch der Verein Eltern für Kinder Österreich (EFKÖ) bietet zahlreiche wichtige Informationen auf seiner Website.

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