Erziehung

Mein Kind ist ein Draufgänger!

Kein Klettergerüst ist zu hoch, keine Schipiste zu steil, und mit dem Fahrrad geht es am liebsten querfeldein – manche Kinder scheuen kein Risiko. Doch wie geht man mit den kleinen Draufgängern um?

Wir treffen uns in der Kletterhalle des Sportzentrums Marswiese im 17. Wiener Gemeindebezirk. Die Kletterwände ragen bis zu 15 Meter in die Höhe. Schwindelerregend. Antonia und ihr Vater sind schon vor uns da, weil das zehnjährige Mädchen Kletterunterricht bekommt. In atemberaubender Geschwindigkeit klettert sie die Wand hoch,geschickt und routiniert. Egal, ob beim Seilklettern oder im Boulderbereich, Antonia scheut weder Höhe noch Risiko. „Das war schon immer so“, lächelt ihr Vater, Stephan.

„Sie kennt keine Angst vor Höhe.“ Genau das war auch ausschlaggebend für das Klettertraining in der Halle. „Auch beim Wandern ist sie einfach auf Felswände geklettert, meine Frau und ich konnten gar nicht hinschauen“, so Stephan weiter. Dass dabei die eine oder andere brenzlige Situation nicht ausblieb, versteht sich von selbst. Um ihr die richtige Klettertechnik zu vermitteln und ihr auch ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie man das Risiko richtig einschätzt und welche Maßnahmen man zur Sicherung unternimmt, wurde Antonia zum Kletterunterricht angemeldet. Seit nunmehr zwei Jahren huscht das quirlige Mädchen nun schon die Wände rauf und runter. Der Spaß am Klettern ist geblieben, das Risiko ist überschaubar.

Abenteurer und Draufgänger

Es gibt Situationen, die Eltern den Schweiß auf die Stirn treiben. Das Kind balanciert auf der obersten Stufe des Klettergerüsts und amüsiert sich dabei königlich, oder es schwingt sich aufs Fahrrad und prescht den Hügel hinab. Auch wenn Kinder es als großen Spaß empfinden und das Kribbeln lieben, wenn sie sich in ein Abenteuer stürzen, so haben sie doch kein Empfinden für die Gefahr, in der sie schweben. Besonders tollkühne Kids landen dann schon mal in der Notaufnahme des Krankenhauses. Hier gilt es, die Abenteuerlust auf ein „gesundes“ Maß zurückzufahren. Doch wie geht das, ohne als Elternteil zum ewigen Spielverderber oder gar zur Helikoptermutter oder zum Helikoptervater zu werden? Und Hand aufs Herz: Waren wir nicht selbst als Kinder draufgängerisch? Wenn unsere Mütter das alles gewusst hätten …

Einschreiten oder zulassen?

„Ich glaube, der Wunsch nach Sicherheit ist verständlich, aber er birgt ein Risiko, wenn es zur Überzeugung wird, dass völlige Sicherheit für uns möglich ist oder sein sollte. Und wenn Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder so besorgt sind, dass sie zum Symbol der Liebe wird. Es gibt die Tendenz, Kinder ängstlich oder abhängig zu machen, wenn sie aufwachsen. Dabei ist es viel besser, das Leben der Kinder auf Risiken zu untersuchen und ihnen beizubringen, wie sie damit umgehen“, so der dänische Familientherapeut Jesper Juul. Zu viel Sicherheit kann auch zu einem Problem werden. Heute ist manchmal zu beobachten, dass Kinder am Spielplatz einen Helm tragen. Eltern lassen den Nachwuchs nicht mehr aus den Augen und ersticken jede Abenteuerlust gleich im Keim. Dazu Jesper Juul: „Für dieses Problem habe ich eine kurze Antwort: Versuche nicht, vorzubeugen, dass das Leben passiert. Lehre Deine Kinder, wie man am Leben teilnimmt und es genießt. Sei für sie da, wenn sie das Leben verletzt.“

Als Elternteil sollte man also lenkend eingreifen, ohne das Kind zur Inaktivität zu verurteilen. Dabei kann die Einstellung der Elternteile ruhig etwas auseinandergehen. Denn was, wenn Papa das Draufgängertum des Sohnes toll findet und Mama zur Vorsicht mahnt? „Mit Papa ausmachen, dass die beiden wild sein können und mit Mama nicht!

Kinder können sehr gut unterscheiden, bei welchem Elternteil was möglich ist. Sie müssen es nur wissen. Solange ich als Elternteil Klarheit über meine Grenzen habe, kann ich diese meinem Kind gut verständlich mitteilen“, erklärt Katharina Weiner, Familiencoach und Leiterin des Familylabs in Österreich. Auch sie sieht die Gefahr, dass ein Teil unserer Gesellschaft mehr dazu neigt,Kinder durch frühe (Über-)Förderung und Sorge um Verletzungen vom echten Spielen und Ausprobieren abzuhalten. „Generell sind Eltern dazu angeregt, ihren Kindern jene Dinge selbstständig machen zu lassen, die sie ihren Fähigkeiten entsprechend selbst erledigen können. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu vermitteln, dass sie dabei nicht alleine sind. Wir sozusagen für sie da sind, wenn sie Hilfe brauchen“, so Weiner.

„Es zeigt sich bereits früh, ob mein Kind ein Draufgänger oder zurückhaltend ist“

Katharina Weiner

Leitung familylab Österreich

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