Erziehung

Mein Kind hat Liebeskummer – Experten-Interview

„Liebeskummer ist Teil der menschlichen Entwicklung“ - Mag. Sabine Schreckenthaler, Psychotherapiewissenschaftlerin in Wien und Wolfsthal im Interview.

Ab welchem Alter verlieben sich Kinder und können deswegen auch unglücklich sein?
Schreckenthaler: Verliebtheitsgefühle kommen bereits im Kindergarten- oder Volksschulalter vor. Hier schwärmen Kinder von einem Freund oder einer Freundin, manchmal auch von Erwachsenen. Oft wollen bereits die Kleinsten ein bestimmtes anderes Kind heiraten. Der Wunsch nach Nähe steht hier im Vordergrund und wird in „Als-ob-Spielen“ (zum Beispiel Mutter-Vater-Kind) verarbeitet und integriert. Das sexuelle Interesse an einer Beziehung kommt erst in der Pubertät hinzu und damit eine Menge an Emotionen, die erst eingeordnet werden müssen. Es kann also schon früh sowohl zum ersten Hochgefühl des Verliebtseins als auch bei Zurückweisung zum Liebeskummer kommen.

Was ist der Unterschied, ob Kinder sich unglücklich in Gleichaltrige (Schulkollegen, andere Kinder …) oder ältere Personen verlieben?
Grundsätzlich ist der Unterschied in Bezug auf das Verliebtsein oder den Liebeskummer nicht besonders groß. In der Pubertät entwickeln sich Jugendliche weg von der Ursprungsfamilie hin zur gleichaltrigen Freundesgruppe und später zu Liebespartnern. Für ältere Personen zu schwärmen (mit dem Wissen, dass eine Beziehung unmöglich ist), ist ähnlich, wie in einen unerreichbaren Star verliebt zu sein. Bei Gleichaltrigen kann es durch das Nichterwidern der Liebe zu realen Kränkungen oder peinlichen Erlebnissen kommen.

Was bedeutet es, wenn Kinder sich in einen Star verlieben und deswegen unglücklich sind?
Dieses Phänomen tritt meist in der Pubertät auf und ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Erwachsenen werden sich ebenfalls erinnern, in dieser Zeit für einen Star geschwärmt zu haben. Prominente dienen als Projektionsfläche für Wünsche und Sehnsüchte. Das Idol verkörpert fantasierte Eigenschaften, mit denen man sich identifiziert oder die man an sich selbst entwickeln möchte. In einer Zeit, in der die Persönlichkeit einen so großen Umbruch erfährt, sind Tagträume und Fantasien über Objekte der Begierde sehr wichtig. Außerdem kommt es nicht zu realen Kränkungen durch Ablehnung. Es ist also eine Art „Verliebtsein im sicheren Rahmen“.

Mag. Sabine Schreckenthaler, www.psychotherapiewiwo.at
Erzählen Sie von Ihren eigenen Erfahrungen, das ist durchaus hilfreich.

Mag. Sabine Schreckenthaler

Zitatzeichen

Wie kann es sich äußern, dass ein Kind Liebeskummer hat?
Die Anzeichen können sehr verschieden sein. Häufig kommt es zu Rückzug, Verschlossenheit, schlechter Laune, aber auch Weinen und Verzweiflungsausbrüchen. Oder das Kind hat keine Lust auf Unternehmungen, die ihm sonst Spaß gemacht haben. Plötzliche äußerliche Veränderungen wie zum Beispiel die Haarfarbe oder ein Leistungsabfall in der Schule können auch Hinweise für Liebeskummer sein. Bei Mädchen zeigt sich der Schmerz manchmal auch in einer Störung des Essverhaltens.

Wie können Eltern ihren Kindern helfen?
Wichtig ist, dass Eltern ein Umfeld schaffen, in dem das Kind jederzeit mit Problemen zu ihnen kommen kann. Fragen Sie sanft nach, seien Sie nachsichtig, wenn es zu Emotionsausbrüchen kommt, und nehmen Sie diese nicht persönlich. Viele Jugendliche wollen über die erste Liebe oder den ersten Liebeskummer nicht sprechen – auch das ist zu akzeptieren. Zuhören ohne große Worte spendet ebenfalls Trost. Auch eigene Erfahrungen zu erzählen, kann hilfreich sein. Zeigen Sie Ihrem Kind auf jeden Fall, dass Sie es unterstützen. Liebeskummer gehört zu der Entwicklung eines Menschen dazu – auch wenn es ein schwer zu ertragendes Gefühlschaos ist.

Was sollten Eltern auf keinen Fall tun?
Auch wenn es befremdlich für die Eltern erscheinen mag, dass der Liebeskummer in diesem Alter so groß ist, müssen Gefühle sehr ernst genommen werden. Machen Sie sich nicht darüber lustig, sonst wird der ohnehin schwankende Selbstwert des Kindes noch weiter verletzt. Selbst wenn die Gefühlslage traurig, verzweifelt und niedergeschlagen ist, sollten Eltern weiterhin liebevoll für Kontinuität im Alltag sorgen.

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