Freizeit

Individuell und nachhaltig!

Näh-Cafés, Nähkurse, Blogs und Bücher: Die Themen Nähen, Kleidung Reparieren und Individualisieren erfreuen sich wieder einer größeren Beliebtheit. Nähen ist ein Trend bei Eltern und Kindern.

Es hat sich längst herumgesprochen: Selbernähen gehört wieder zu den angesagteren Freizeitbeschäftigungen. Und es entspricht gleich mehreren Trends. Wer selber näht, hat den größten Einfluss auf das Endergebnis und kann individuelle Vorlieben umsetzen. Die Tätigkeit wird als entspannend beschrieben, und zumindest Geübtere kommen hier in einen Flow. Und es lässt sich wunderbar gemeinsam nähen. Nicht nur, aber auch in Näh-Cafés und Nähkursen, die mittlerweile in fast ganz Österreich angeboten werden.

Wer selber näht, hat auch mehr Ahnung von Kleidung und kann diese im Fall des Falles selbst reparieren, hier eine Naht ausbessern und dort einen Knopf annähen. Und sollte sich die eigene Figur ändern, kann man dafür sorgen, dass die Lieblingsstücke länger passen und getragen werden können. Ein Umweltgedanke, den selbst die Hersteller von nachhaltiger Mode und Eco-Fashion unterstützen, in dem sie ihre Kunden dazu aufrufen, mit der Kleidung sorgsam umzugehen und diese möglichst lange zu tragen. Eine Einstellung, die sich mittlerweile auch zu Ketten wie H&M durchgesprochen hat, die darauf reagieren, indem sie etwa in ihrem neuen Flagshipstore auf der Wiener Mariahilfer Straße einen Take-Care-Bereich eingerichtet haben. Dort werden nicht nur Reparatur-, Näh- und Stickerei-Services angeboten, sondern auch umweltfreundliche Waschmittel, Fleckenentferner, Patches, Reparatursets und Wäschebeutel.

In Nähkursen und Nähcafés haben Kinder oft die freie Auswahl an Stoffen, Motiven und Schnitten. Sie können ganz ihren Vorstellungen entsprechend nähen.

Nachhaltigkeit

Romana Massong vom Stoff- und Zubehörladen Biostoffe.at in Wien Ottakring, der auch Nähkurse anbietet, sieht bei ihren Kundinnen die Bedeutung von Nachhaltigkeit bestätigt: „Unsere Zielgruppe sind überwiegend private Näherinnen und Näher und kleingewerblich Tätige mit dem Wunsch, ökologische und nachhaltige Produkte zu verarbeiten.“ Biostoffe hat sich 2017 von einem Geschäftslokal mit 120 m² auf 420 m² vergrößert. Auf der Suche nach Ideen, um den Platz optimal zu nutzen, bot es sich an, einen Teil des Geschäfts für Workshops und ein Nähcafé zu öffnen, die teilweise nicht von Romana Massong, sondern von Profis abgehalten werden. Die Stoffe, die sie anbietet, sind zu 100 Prozent nach dem GOTS-Standard biozertifiziert. Dies bringt nicht nur einen Vorteil für die Umwelt, sondern auch bessere Hautverträglichkeit, keine Ausbeutung in den Herstellerländern und auch kein Tierleid. Eine Gedanke, den sie etwa mit der Verwendung von Ökostrom und vielen anderen Maßnahmen in ihrem Unternehmen fortführt.

Auch Birgit Pachler vom Nähcafé Graz hat Kundinnen, die zu ihr kommen, um mit ihrer Unterstützung Kleidung zu ändern oder zu reparieren. Ein großes Thema ist bei ihr Upcycling, also der Versuch, aus gebrauchten Stoffen neue Dinge zu fabrizieren: „Die Kinder nähen aus alten Jeans Röcke und Taschen. So lernen sie auch, dass sie jederzeit zuhause nähen können, denn sollten sie keinen neuen Stoff zuhause haben, können sie aus alten Jeans, Hemden, Blusen oder Pullis neue coole Stofftiere, Taschen oder Polster nähen.“

Immer mehr Kinder

Es sind dabei auch nicht nur Erwachsene, die sich in Nähcafés über ihr Hobby austauschen, sich gegenseitig Tipps geben und von Profis dazulernen, sondern immer öfter Eltern mit ihren Kindern. Romana Massong: „Eine Tendenz zu Familien als Kunden ist sicherlich erkennbar, auch wenn ich keine Statistik dazu habe. Ein großer Teil unseres Sortiments sind aber definitiv für Kinder geeignete Stoffe. Außerdem haben wir eine großzügige Kinderecke und eine Wickelmöglichkeit eingerichtet, die sehr gut angenommen werden.“ Eine Beobachtung, die Birgit Pachler teilt: „Bei mir nähen mittlerweile zu rund 90 Prozent Kinder im Alter von sechs bis siebzehn Jahren und nur mehr zehn Prozent Erwachsene.“

Und sie hat dafür auch eine einleuchtende Erklärung: „Kinder wollen kreativ sein, doch leider können nur mehr sehr wenige Eltern nähen, basteln, häkeln und andere ähnlich gelagerte Fertigkeiten. Selbst in der Schule gibt es fertige Handarbeitspakete. Bei mir im Nähcafé darf jedes Kind nähen, was es will! Wir fangen mit leichten Werkstücken an, und nach einiger Zeit nähen sie schon Röcke, Taschen, Hosen und Sweater.“ Gute Erfahrung hat sie damit gemacht, dass die Kinder sich hier austoben können und dem eigenen Geschmack keine Grenzen gesetzt sind: „Stoffe und Farben suchen sich die Kinder selbst aus. Sollte ich mal keinen Schnitt für einen besonderen Wunsch haben, fertige ich den gemeinsam mit dem Kind nach Wunsch. Wir haben auch schon Weltkugeln und Zeppeline genäht!“

Gemeinsam lernen Eltern und Kinder in Nähkursen die Grundlagen des Nähens und sind oft positiv überrascht, wie schnell man eine Tasche oder ein anderes Accessoire fertig hat.

Individuelle Wünsche

Birgit Pachler hat schon als Kind immer ihre Faschingskostüme selbst genäht und so die Lust am Handwerk und am Unikat für sich entdeckt: „Dann kam die Schneiderlehre und das Studium zur Bekleidungstechnikerin in Deutschland.“ Den Willen, eigene Ideen umzusetzen, sieht sie auch bei den Kindern in ihren Nähkursen, und denen will sie auch gar nicht im Weg stehen: „Kinder gehen generell entspannter ans Nähen ran. Sie wollen eine Melone nähen, okay, dann nähen sie eine Melone. Erwachsene sind oft gestresst, da sie glauben, es muss alles perfekt sein. Ich versuche, ihnen die Angst zu nehmen, und wir starten ganz unkompliziert und einfach. Schon nach zwei bis drei Stunden haben sie dann eine Tasche mit Reißverschluss genäht und sind total perplex, dass das so einfach war. Dann kommt die Lust nach mehr.“

Ausgleich und Entspannung

Selbst zu nähen, ist aber nicht nur der oft kürzeste und günstigste Weg zu der Kleidung, die man selbst will, sondern kann eben auch dem Ausgleich und der Entspannung dienen: „Prinzipiell ist das Nähen ein super Ausgleich zur Arbeit und auch bei Kindern zum Handy. Man tut selbst was und schaut nicht nur zu, wie ein anderer im Video etwas macht! Wenn dein Kind dann nach dreieinhalb Stunden mit einem selbstgenähten Pferd nach Hause geht, strahlt es über das ganze Gesicht, und Kind und Eltern sind sehr stolz! Das stärkt das Selbstvertrauen“, ist Birgit Pachler überzeugt. Überhaupt wird in Nähcafés und Nähkursen nicht nur Kleidung genäht, sondern auch Taschen und alle möglichen Haushaltsutensilien von Vorhängen über Tischdecken bis zu Lampenschirmen. Unikate, die, genau den eigenen Vorstellungen entsprechend, in Wohnung oder Garten passen.

Geschenke

Da nicht alle die Zeit und die Möglichkeit haben, Kurse zu besuchen, gibt es eine Reihe von Angeboten auf Websites und Blogs und viele Bücher zum Thema. Auch Birgit Pachler hat schon mehrere geschrieben: „Da nicht alle zu mir ins Nähcafé-Graz kommen können, hab ich bereits vier Kinder-Nähbücher geschrieben: „Nähspaß für Kinder ab 6 Jahren“, „Noch mehr Nähspaß für Kinder (für Schulkinder )“, „Nähspaß für Jugendliche“ und das aktuelle „Nähspaß für Kinder durchs Kalenderjahr“. In den Büchern lernen Kinder Schritt für Schritt nähen, und es sind Geschenke, über die sich oft mehr Personen in der Familie freuen als nur die direkt beschenkten.

Wer keine Nähcafes in der Nähe hat, finden online und in Büchern wie jenen von Birgit Pachler vom Nähcafe Graz einfache Anleitungen, um sie zu Hause nachzunähen.

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