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„Ich traue meinem Mann die Kinder nicht zu!“

Der Vater ein Störfaktor? Der scheinbar vieles nicht so gut hinbekommt wie die Mama? Wenn Mütter das väterliche Engagement im Familienalltag blockieren und die Kontrolle über die Familie an sich reißen.

maternal gatekeeping

„Wenn ich morgen sterbe, ich hätte keine Ruhe im Himmel. Ich würde als Geist zurückkehren und meinem Mann dabei beobachten, wie er sich um die Kinder kümmert.“ Cornelia und ihr Mann Thorsten haben drei Kinder im Alter von drei, sieben und elf Jahren, und sie hat die Kontrolle über ihre Familie, wie sie selber sagt. „Ich entscheide alles. Was die Kinder essen, wo wir unseren Sommer verbringen. Welche Produkte gekauft werden, von Badezimmerartikel über Kleidung bis zu Büchern“, so die 37-Jährige. „Sogar der Erziehungsstil ist meiner, und Thorsten hält sich einfach daran.“ Und ihr Mann? „Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe meinen Mann, und er kann mit den Kindern stundenlang spielen oder Hausübungen machen, aber den Alltag mit den Kindern trau ich ihm nicht zu, den packt er nicht!“

Gatekeeper Mom

Mütter, die ihrem Mann die Kinder nicht zutrauen (und sei es nur in gewissen Situationen), das klingt im Zeitalter der Gleichberechtigung nach einem schlechten Witz. Tatsächlich erforscht die Wissenschaft das Phänomen des mütterlichen Kontrollbedürfnisses seit beinahe zwanzig Jahren und hat dafür den Begriff „Maternal Gatekeeping“ geprägt. So belegte eine amerikanische Untersuchung, dass 20 bis 25 Prozent aller verheirateten Mütter in die Gatekeeping- Kategorie fallen. Eine Langzeitstudie des deutschen Familien- undSozialforschers Wassilios Fthenakis kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Etwa jede fünfte Frau blockiert das väterliche Engagement im Familienleben. Die gängige These, warum sie das machen, lautet: Gatekeeper-Mütter sehen im Vater keinen gleichberechtigten und kompetenten Elternteil. Wobei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden muss, dass es sich hierbei um Extremfälle handelt. Meistens verläuft alles viel subtiler.

Mein Mann ist toll, aber …

Jeder kennt so einen Fall: Die Freundin, die so gerne wieder einmal mit auf einen Cocktail gehen möchte, aber angeblich schaffe es der Papa nicht, den Sohn alleine schlafen zu legen. Der Bekannte, der mit seinem Nachwuchs spazieren geht und von seiner Frau halbstündlich Kontrollanrufe entgegenimmt, während die Tochter friedlich schläft. Im Gespräch mit familiii klang der einheitliche Tenor der befragten Mamas in etwa so: „Er ist ein toller Vater, aber …“ Das Aber fiel je nach Mutter dann unterschiedlich aus: „…, aber er kann die Kinder nicht richtig mit gesundem Essen versorgen“, „…, aber ich muss ihm alles sagen, was er zu tun hat, weil er einfach nicht mitdenkt“, „… aber länger als ein bis zwei Tage kann ich ihn mit den Kindern nicht alleine lassen.“

Glucke oder kindliche Männer?

Kümmern sich Mütter nicht rund um die Uhr oder fordern gar, in Vollzeit zu arbeiten, sind sie „Rabenmütter“; sind sie besonders fürsorglich und schießen dabei auch mal übers Ziel hinaus, werden sie als „Glucken“ oder „Helikopter-Mums“ abgestempelt. Wie man es dreht und wendet, als Frau mit Kind kann man es heutzutage nur falsch machen. Oder sind gar die Männer schuld? Sind sie es nicht, die völlig überarbeitet nach Hause kommen und sich dann ihrer Verantwortung entziehen? Sind sie es nicht, die sich oft selbst wie Kinder benehmen?

„Es ist absolut falsch, in diesen Fällen pauschale Schuldzuweisungen zu machen“, sagt Familienberaterin Sandra Teml-Jetter. „Das ist ein sehr komplexes Thema, wo viele verschiedene Aspekte mit einfließen, und man müsste sich individuell bei jeder Familie die Ursachen, das Verhalten und die Beziehungsdynamiken ansehen.“ Dennoch gebe es hervorstechende Aspekte, die dazubeitragen, dass Frauen ihrem Mann die Kinder nicht zutrauen.

Die Frau hält die Stellung

Ein Grundproblem ist die ungleiche Aufgabenverteilung in der Kinderbetreuung und im Haushalt. Und diese resultiert wiederum oft aus den traditionellen Rollenbildern, die sich offenbar so tief ins Bewusstsein eingegraben haben, dass sie nicht so einfach abzuschütteln sind: Die Frau hält zu Hause die Stellung, während der Mann das Geld verdient und die Familie ernährt. „Männer kommen nach Hause und arbeiten brav ihre Listen ab wie den Müll hinuntertragen und mit dem 13-Jährigen Mathe-Hausübung machen. Sie tun dies wunderbar und verstehen dann nicht, dass die Frauen nicht zufrieden sind“, so Teml-Jetter. „Aber es ist ein Unterschied, ob man nur eine Liste abarbeitet oder den kompletten Überlick und damit die komplette Verantwortung 24 Stunden, sieben Tage die Woche im Kopf hat.“ Der Vorteil für die Frau: Sie hat die Kontrolle. Der Vorteil für den Mann: Er braucht nicht mehr nachzudenken. Die Nachteile: Der Mann ist nicht mehr sichtbar, die Frau fühlt sich überfordert.

Müssen wir wirklich über alles reden?

Wer ist zuständig für den Geschirrspüler? Wer zahlt die Rechnungen? Wer holt die Kinder von der Schule ab? Wer kümmert sich um die Einkäufe? „Müssen wir wirklich über alles reden?“, fragen dann oft die Männer. „Ja“, sagt die Familienexpertin. Sonst seien Konflikte vorprogrammiert. „Man muss sich die Verantwortung über die Familie als Paar aufteilen, und es ist, zugegeben, eine hohe Kunst, hier eine Balance zu finden.“ Verantwortung aufzuteilen, heißt, Verantwortung auch wirklich abzugeben, damit die besprochenen Punkte tatsächlich aus dem Kopf sind. „Dann dürfen Frauen aber auch nicht danebenstehen und schauen, ob der Mann es eh richtig macht oder im schlimmsten Fall noch so, wie sie das gerne hätten“, sagt Teml Jetter. „Abgeben heißt auch wirklich abgeben – bis Klarheit auf beiden Seiten entsteht.“

Hohe Ansprüche

Perfekte Mama sein zu wollen und gleichzeitigeine liebevolle und sexy Partnerin, die stets eine saubere Wohnung vorzuweisen hat, bei der täglich Gesundes am Esstisch steht und die nebenbei noch ihre eigene Karriere ankurbelt: Solche hohen Ansprüche der Mütter führen ebenfalls zu einem Verlangen, die Kontrolle über die Familie wahren zu müssen. Immerhin gibt das Sicherheit, weiß die Expertin. „Die Frage ist auch: ‚Über was definiere ich mich?‘ Die meisten Menschen definieren sich immer noch über Arbeit und Leistung. Besteht die Leistung nur noch darin, Mama zu sein, wird es plötzlich unglaublich wichtig, wie sauber die Wohnung ist“, so Teml-Jetter.

Bindung von Anfang an

Für die Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau haben die meisten Formen von Maternal Gatekeeping Folgen. Der Mann fühlt sich aus der Partnerschaft ausgeschlossen, weil er seine Frau nur noch als Mutter, nicht mehr als Partnerin sieht. „Mütter verschmelzen mit dem Kind regelrecht nach der Geburt. Was teilweise von der Natur so gewollt ist. Zum Problem wird es nur, wenn die Mütter dann das Gefühl haben, sie seien jetzt ganz, und das eigene Kind soll all ihre Defizite auffüllen. Der Partner bleibt dann außen vor“, so die Expertin. Er fühlt sich von ihr nicht mehr geliebt und erlebt die Vereinnahmung der Kinder als Misstrauen oder sogar als Aggression ihm gegenüber. „Man muss den Vätern die Möglichkeit geben, von Anfang an eine Bindung zum Kind aufzubauen und sich zu beteiligen“, sagt Teml-Jetter und fügt hinzu: „Frauen sollten sich selbst fragen, warum es ihnen schwerfällt, Verantwortung abzugeben.“

Ein Wort der Wertschätzung

Genau dieser Blick nach innen und die Selbstreflexion haben Cornelia geholfen, die Dinge etwas lockerer zu sehen. „Mein Mann ist trotz allem der passende Vater für meine Kinder.“ Ihr Mann Thorsten ist übrigens stets überarbeitet und heil-froh, dass seine Frau die Kontrolle über die Familie hat: „Sie managt alles daheim, und ich bin so unglaublich dankbar, dass sie das tut und dass ich sie habe.“

Wenn Frauen ihr Baby auf die Welt bringen, haben sie bereits neun Monate lang eine (meist) sehr innige Beziehung zu diesem Kind aufgebaut. Für viele Mamas ist es dann gar nicht so leicht, auch den Papa einzubinden und die Verantwortung des Elternseins mit ihm zu teilen. Immer wieder habe ich in meinen Master- Mum-Kursen Frauen, die mir erzählen, wie schwer es ihnen fällt, wirklich loszulassen und darauf zu vertrauen, dass ihr Mann auch einmal alleine die Verantwortung für das Kind übernehmen kann. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass die Mamas alles alleine machen – und das führt häufig zu Erschöpfung und Überlastung. Ich empfehle Mamas in meiner Arbeit, mit ihrem Partner offen über ihre Gefühle zu reden – auch, damit er sich nicht ausgeschlossen fühlt. Und dann in kleinen Schritten zu beginnen, immer wieder bewusst den Partner einbinden, Dinge gemeinsam machen und dann auch immer wieder abzugeben. Das Loslassen bedeutet auch neue Freiheit für die Mamas – um durchzuatmen, sich wieder aufzutanken und etwas für sich selbst zu tun.

Ruth Theuermann-Bernhardt, Gründerin von MasterMum, Kinesiologin und Mentaltrainerin

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