Medien

Handygames – die wollen doch nur spielen!

Längst ist der Bildschirm mit Games und Apps der wichtigste Spielplatz unserer Kinder geworden. Kein Problem, wenn dabei grundsätzliche Regeln eingehalten werden.

Kaum eine andere Frage beschäftigt Eltern der Gegenwart so intensiv wie die Entscheidung, was und wie viel ihre Kinder spielen sollen – und zwar am Bildschirm. Games, ob als App am Handy, als Konsolenspiel oder am PC installiert, haben sich im Kampf um die Lufthoheit in der   kindlichen Freizeit neben Lego, Barbie & Co als gleichberechtigt durchgesetzt. Denn ob gespielt wird, ist keine Frage mehr: Fast 60 Prozent aller Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren nutzen Smartphones und Tablets, besagt eine deutsche Fachstudie, die auch eins zu eins auf Österreich umlegbar ist. Und die Tendenz steigt und steigt.

Spaltpilz Handy

Das Phänomen teilt die besorgte Elternschaft in einander scharf rivalisierende Lager. Die einen fürchten, ihr Kind könnte den  Anschluss an den digitalen Wandel verpassen und um seine Zukunftschancen gebracht werden, wenn sie den Umgang mit den  modernen Kommunikations- und Spielmedien einschränken. Manche denken sogar, schon das Kleinkind in die digitale Tapp-und- Wisch-Achterbahn setzen zu müssen, um seine Entwicklung positiv zu beschleunigen, man kann ja nie wissen, ob da nicht ein künftiger  E-Sports-Champion im Maxi-Cosi sitzt. Bei vielen wiederum steht die Befürchtung im Mittelpunkt, das Kind könnte durch zu viel Sitzen vor dem Screen und stundenlanges Wiederholen fragwürdiger Spielabläufe („Yeah, ein Kopfschuss – Extrapunkte!“)  körperlichen und seelischen Schaden nehmen. Und zwischen diesen extremen Polen gibt es jede Menge Grauzonen mit vielen, vielen  Fragen – von denen wir nachfolgend einige beantworten wollen.

 

Wichtig sind Regeln

Doch vorab ein Hinweis: Einfach ist es nicht, die richtigen Spiele und die passende Dosis zu finden. Nicht, weil Informationsmangel  herrscht, sondern weil es aktive und konsequente Eltern braucht, nötige Regeln im Umgang mit Games und Apps aufzustellen und   durchzusetzen. Kinder wissen unglaublich viel über die Spiele, die sie wollen. Auch über jene, die für sie ungeeignet sind. Sie schauen etwa auf YouTube Gleichaltrigen zu, die sich während des Spielens aufnehmen und Tipps und Tricks verraten. Wenn Sie also als   Leitlinien-Ersteller ernst genommen werden wollen, sollten Sie zumindest halbwegs firm sein. Wer sich von seinem Zwölfjährigen einreden lässt, „Grand Theft Auto“ sei ein Rennspiel, hat schon verloren. Auch wenn es schwer fällt: Befassen Sie sich mit der Materie.  Der Autor dieser Zeilen hat bei drei Kindern die Erfahrung gemacht, dass Elternteile, die selbst an der Spielkonsole gute Figur machen, von den Kids weitaus ernster genommen werden als ahnungslose Zeitgenossen. Die werden gegeneinander ausgespielt, im wahrsten  Sinne des Wortes. Andererseits erhöht elterliche Game-Kompetenz die Verantwortung. Menschen lernen nämlich nicht durch Befehle,  sondern durch das gezeigte Beispiel. Wenn Papa auf der Couch liegt und versucht, bei einem USK-18-Spiel wie „Hitman“ einen neuen Kill-Rekord aufzustellen, nützt es genau gar nichts, den zuschauenden Kindern zu erklären „Geht’s schlafen, das ist nix für euch!“ Seien Sie ein gutes Beispiel im Umgang mit Bildschirm-Medien. Das ist schon die halbe Miete. Wie das sensible Thema aus Sicht der Provider  und damit Träger vieler Spiele aussieht, wird UPC-Expertin Pia Römer in dieser und in den kommenden Ausgaben erörtern.  „Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, der sieht: Fast alle spielen. Wie man diesen manchmal schmalen Grat zwischen  Unterhaltung und Risiken meistert, wird aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.“

0 – 3 Jahre

Liebe Eltern, diese ersten 36 Monate fordern eure Konsequenz ein. Denn bis zum vollendeten dritten Lebensjahr sollten Kinder und  Bildschirmmedien nichts miteinander zu tun haben. Das hat mit der Entwicklung des Gehirns zu tun; jeder seriöse Gehirnforscher wird das bestätigen. Gehen Sie bitte nicht in die gerne gestellte Marketingfalle, bunte Bällchen am Touchscreen würden die Auge-Hand-Koordination des Kindes trainieren. Das können analoge, alte Bauklötzchen deutlich besser. Wer jetzt meint, es sei unvermeidlich, dass einem Kleinkind in seiner Umgebung Bildschirmmedien wie Fernseher, Computer oder die Tablets der Eltern unterkommen und es  darum sinnlos sei, diese dem Kind vorzuenthalten: Das ist im Prinzip richtig, aber genauso ist das Kind mit Autos, Herden oder    Küchenmessern konfrontiert. Und hier schaffen wir es mit Selbstverständlichkeit, die Kids nicht ans Steuer oder an die Regelknöpfe zu lassen. Und es ist eine gute Übung, auch später mal Nein zu sagen.

4 – 5 Jahre

Der Einstieg in die Welt der Bildschirmmedien – und damit von Apps und Games. Aber nur unter Aufsicht, vor allem aber in kleinen   Dosen: Maximal eine halbe Stunde pro Tag ist bekömmlich. Entsprechend simpel sollten die Spiele sein, es empfehlen sich Mal-Apps oder erste Lernspiele. Dank bekannter Trägerfiguren wie den Schlümpfen oder der Maus aus der gleichnamigen Sendung kommt dabei auch der süße, kleinkindgerechte Spaß nicht zu kurz. Worauf die Eltern besonders achten sollten: bitte keine Spiele mit eingebauter  Werbung! In diesem Alter liegt der Teufel im Detail. Die Kinder sind hoch mobil, artikulieren Wünsche und wissen, was sie tun können, um sich durchzusetzen. Sie lernen, wie schon gesagt, durch Vorbild. Wenn Papa und Mama beim Essen sitzen und auf ihren Handys herumdrücken, statt sich zu unterhalten, will das Kind das auch. Viele Eltern erliegen der Versuchung, das Kind im Kinderwagen oder sonst zwischendurch an den Geräten herumdrücken zu lassen, weil sie dabei so wunderbar ruhig sind und man die eigene   Bequemlichkeit mit dem Stolz tarnen kann, dass „unser Kind schon so toll mit moderner Technik umgehen kann“.

6 – 9 Jahre

In der Schule ist Daddeln heißes Pausenthema, ginge es nach den Kids, wäre der Spieldaumen im Dauereinsatz. Dabei sagt die Neuro-Wissenschaft: Maximal eine Stunde pro Tag! Zugegeben, die passende Auswahl für diese Zielgruppe ist riesig, und die Spiele machen  echt Spaß. Vom globalen „Minecraft“-Phänomen, die „Sims“ oder „Sim City“ (Spiele, die tolle, eigene Welten kreieren) über Lego- Games bis zu ersten Sportspielen lockt das Angebot. Hier macht es durchaus auch den Eltern Spaß, eventuell mitzumachen. Das steigert deren Kompetenz und auch Autorität. Wer beim Lieblingsthema der Kinder mitreden und mitspielen kann, setzt seine Regeln leichter durch. Und es ist aufgelegt, beispielsweise nach einer Partie „Fifa“ den echten Ball einzupacken und real ein bisschen kicken zu gehen. Lassen Sie sich regelmäßig zeigen, welche Spiele am Handy Ihres Kindes installiert sind. Schnüffeln Sie ihm nicht nach, aber  machen Sie von Anfang an klar, in welchen Bereichen Transparenz Voraussetzung fürs Smartphone sind. Aus eigener Erfahrung: Die  Überraschung ist sonst groß, was da heimlich getauscht und gespielt wird.

10 – 15 Jahre

Die Jahre der Selbsteinschätzung und Selbsteinteilung beginnen – verantwortungsvolle Eltern behalten dabei im Hinterkopf, dass das  enschliche Gehirn die Fähigkeit zum Selbstmanagement in der Regel erst jenseits des 20.Lebensjahres erreicht. Daher sollte man einen Blick darauf haben, dass es nicht mehr als zehn Stunden pro Woche werden. Die Spiele für dieses Alter machen zwar auch   Erwachsenen Spaß (Action-Games wie „Uncharted“ und „Tomb Raider“ sowie ausgefeilte Simulationen wie „Gran Turismo“ können  ordentliches Suchtverhalten produzieren), aber die Teenies orientieren sich gerne nach oben, zu den Spielen mit Jugendverbot (siehe  nächsterAbsatz). Auch hier gilt: Einerseits Vorbild sein und selbst nichts Unpassendes konsumieren, wenn die Kids anwesend sind.   Andererseits Ansprech- und gelegentlicher Spielpartner sein für Erlaubtes, auf jeden Fall aber wenigstens auf Augenhöhe Bescheid  wissen. Vorsicht bei Multiplayer-Spielen zum Download wie „World of Tanks“. Die sind zwar zu Beginn gratis und wirklich toll  gemacht. Aber wer weiterkommen will, muss dann zur Kreditkarte greifen, um konkurrenzfähige Panzer oder Munition zu erwerben.   Da müssen klare Regeln und Ausgabelimits vereinbart werden, sollte das Kind hier mitspielen wollen.

16-18 Jahre

Willkommen in der Welt der Egoshooter, Horror- und Gewaltspiele, die auch raubeinigen Erwachsenen einen Schauer über den Rücken jagen können. Und trotzdem bitte keine Panik, sollte Ihr fast erwachsenes Kind „Counterstrike“, „Hitman“, „Resident Evil“, „Mortal Combat X“ oder „Grand Theft Auto“ spielen. Das macht nämlich zwischendurch tatsächlich Spaß, und wenn der Nachwuchs nicht nächtelang „GTA“ zockt, um erst aus Spaß an der Freude Dutzende Passanten aus Autos zu zerren und zu erschlagen, um sich danach bei einem gepflegten Lapdance zu erholen, ist alles in Ordnung. Hier sollten Eltern nicht moralisieren und von oben herab belehren.  Aber ein Auge darauf haben, dass die virtuelle Welt nicht zu wichtig wird – das kann durchaus passieren, wenn die Computerexistenz vielversprechender und erfüllender ist als das eigene reale Leben. Und wiederum ist es die Aufgabe der Eltern, genau dieses bessere Realleben zur Verfügung zu stellen. Passt das und herrschen Interesse und Konsens, dann steht einem generationenübergreifenden, gemeinsamen Zombiemetzeln nichts im Wege.

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