Erziehung

Ghosting: Warum kommt mein Papa nicht?

Nach einer Scheidung oder Trennung kann es zu Problemen bei der Einhaltung des eingeräumten Kontaktrechts kommen, wenn Väter Termine versäumen oder sich im schlimmsten Fall gar nicht mehr bei ihren Kindern melden.

Geht eine Ehe oder eine Beziehung in die Brüche, muss für die gemeinsamen Kinder eine Regelung für den Kontakt getroffen werden, denn Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile. Das ist auch vom Gesetzgeber so vorgesehen.

Meist wird das Kontaktrecht vom nicht betreuenden Elternteil gerne wahrgenommen. Viele Väter hätten sogar gerne mehr Zeit mit ihren Kindern. Doch das ist leider nicht immer so. Manche Väter nehmen das Kontaktrecht nicht regelmäßig oder im schlimmsten Fall gar nicht wahr. Findet ein vollständiger Kontakt- und Kommunikationsabbruch ohne vorherige Ankündigung statt, wird auch der Begriff „Ghosting“ verwendet.

Ursprünglich wurde dieser Ausdruck für die respektlose Art, eine Beziehung zwischen Liebenden durch Verschwinden zu beenden, geprägt. Doch trifft „Ghosting“ auch zu, wenn sich ein Elternteil aus der Beziehung mit seinem Kind ohne Ankündigung zurückzieht.

Wenn das Kind vergeblich wartet

Der Begriff „Ghosting“ ist neu, die Situation, die er beschreibt, allerdings nicht. Eine Betroffene, deren Vater ohne Vorankündigung aus ihrem Leben verschwand, ist Veronika Baumkirchner. Inzwischen erwachsen, erinnert sie sich noch sehr genau daran und auch an ihre Gefühle von damals. Ihre Eltern trennten sich, als sie noch ein Baby war. Ihr Vater war nach Beendigung der Beziehung zu ihrer Mutter von Anfang an nicht begeistert davon, seine Tochter regelmäßig zu sehen. Ihre Mutter tat aber trotz der Differenzen zwischen ihr und ihrem Ex-Partner alles, damit der Kontakt zwischen Vater und Tochter nicht ganz abbrach. Allerdings mit eher mäßigem Erfolg. Veronikas Vater kam unregelmäßig, verschob Termine oder ließ diese einfach platzen. Eine Begebenheit ist Veronika Baumkirchner bis heute im Gedächtnis geblieben.

„Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, hatte mein Vater wieder einmal versprochen mich übers Wochenende zu sich zu holen. Ich habe also meinen kleinen Koffer gepackt und mich auf die Tage mit meinem Papa gefreut. Schon eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Termin war ich bereit. Ungeduldig bin ich ständig zum Gartentor gelaufen und habe Ausschau nach ihm gehalten. Doch wer nicht kam, war er. Ich wollte aber nicht aufgeben und bin auch noch zwei Stunden später am Gartenzaun gestanden. Als mir meine Mama sanft erklärte, dass mein Vater wohl nicht mehr kommen wird, war ich verzweifelt und habe geweint“, erzählt Veronika.
Sie kann sich auch noch an den Gesichtsausdruck ihrer Mutter erinnern, die dem Schmerz ihrer Tochter hilflos gegenüberstand. Als Veronika schließlich neun Jahre alt war, zog ihr Vater in ein anderes Bundesland und brach ohne Erklärung oder Vorankündigung den Kontakt ganz ab. Bis zu Veronikas Hochzeit, Jahre später. „Plötzlich hat sich mein Vater wieder bei mir gemeldet und wollte, dass ich ihn zur Hochzeit einlade. Da sind bei mir wieder diese Gefühle, im Stich gelassen und zurückgewisen zu werden, aufgekommen. Ich war aber durch sein jahrelanges Stillschweigen so verletzt, dass ich ihn nicht dabei haben wollte“, erinnert sie sich.

Das Recht auf Kontakt

Wenn ein Vater Termine nur unregelmäßig wahrnimmt oder gar keinen Kontakt zu seinen Kindern hält, ist für die Mütter auch der Gang zu Gericht möglich, um das Kontaktrecht des Kinder einzufordern. „Das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 ermöglicht dem Gericht seit Februar 2013 taugliche Mittel, das Recht des Kindes auf Kontakt zum anderen Elternteil sinnvoll durchzusetzen. Es kann die Familiengerichtshilfe eingeschalten werden, die auch im Rahmen der Besuchsmittlung helfen kann. Auch eine Erziehungsberatung kann beiden Elternteilen aufgetragen werden. Als letztes Mittel sieht der Gesetzgeber auch die Beugestrafe vor. Dass die Verhängung einer solchen jedoch wirklich sinnvoll ist, ist zweifelhaft“, erklärt Rechtsanwältin Sybille Lindeis. Erscheint der Vater nicht bei Gericht und zeigt auch sonst kein Interesse, kann das Kontaktrecht auch vorläufig ausgesetzt werden.

Beugemittel sind nicht immer sinnvoll

Mag. Eva-Maria Vetter

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Das Gespräch suchen

Das Aussetzen des Kontaktrechts ist allerdings das letzte Mittel, das angewandt wird. Vielmehr wird bei Gericht versucht, den Vater wieder ins Boot zu holen. „Sind beide Elternteile gesprächsbereit, versuche ich, im Rahmen eines gemeinsamen Termins eine Lösung zu finden. An diesem Punkt kann eine Mediation zwischen den Eltern sehr hilfreich sein, um ein nachhaltiges und für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis zu finden, das dann auch von beiden Elternteilen mitgetragen wird. Dafür ist im Rahmen einer Gerichtsverhandlung oft zu wenig Zeit“, so Familienrichterin Eva-Maria Vetter, die auch als Mediatorin arbeitet.

Im Zuge des Gesprächs bei Gericht oder bei einer Mediation wird auch versucht, die Ursache zu hinterfragen, warum ein Eltenteil das Kontaktrecht nicht wahrnimmt, wo es Probleme gibt. Oft haben die Gründe gar nichts mit dem Kind zu tun, sondern sind auf der Paarebene zu suchen. So versuchen manche Väter, damit auch die Mütter zu bestrafen, und wollen ein Signal setzen. „Verletzungen auf Paarebene müssen geklärt werden, sollten aber auf Elternebene keinen Einfluss haben. Ich habe Klienten, die es aufgrund der Verletzungen im Zuge der Beendigung der Beziehung nicht einmal schaffen, die Kinder für die Kontakte konfliktfrei zu übergeben“, so Rechtsanwältin Lindeis. Eltern müssen also lernen, die Elternebene von der eigentlichen Beziehungsebene zu trennen und ihre eigenen Befindlichkeiten hintanzustellen.

Eltern sollten persönliche Befindlichkeiten hintan halten

Mag. Sybille Lindeis

www.lindeis.at

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„Mütter sollten möglichst neutral und mitfühlend bleiben.“

Ulrike Berger

www.safe-place-doebling.at

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