Bildung

Fünf vor Zwölf

Noch ist nicht Notenschluss in Österreichs Schulen, aber es geht um die Wurst.

Wer jetzt in einem oder mehreren Fächern auf einem Nicht Genügend steht, hat unter Umständen ein Problem. „familiii“ hat mit Experten darüber gesprochen, was in letzter Minute noch zu retten ist. Und, wie man es besser machen kann, um erst gar nicht in die Misere zu geraten.

„Wenn in diesem Schuljahr in einem Fach viel schiefgelaufen ist, bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit“, weiß Hemma Poledna, Direktorin am BG/BRG Klosterneuburg, welches mit mehr als 1.000 Schülern zu einer der größten allgemeinbildenden höheren Schulen Niederösterreichs zählt und auch die Klosterneuburg International School beinhaltet. „Zu spät ist es aber nie“, beschwichtigt die erfahrene Pädagogin, die mit Leidenschaft seit 20 Jahren Geschichte, Deutsch und Darstellendes Spiel unterrichtet und auch IB-Teacher ist, „denn all das, was ein Kind jetzt noch anpackt und lernt, hat es schon einmal in der Tasche. Und, sollte es sich bei der Prüfung im Juni nicht ausgehen – vergebens war es nicht.“

Ihr persönlicher Rat: „Tief durchatmen, Ärmel hochkrempeln und sich für die nächsten beiden Wochen einen Lernplan machen. Das heißt, Stoff einteilen und zwar vom Endpunkt her: Was muss ich bis zum 15. Juni können? In wie viele Portionen teile ich mein Pensum ein? Möchte ich jemanden hinzuziehen, der mir in gut geplanten Abständen über die Schulter schaut? Brauche ich jemanden, der mir den Stoff erklärt oder reicht es mir, wenn ich regelmäßig Kontrolle habe – durch Oma, große Schwester, Vater oder einen Nachhilfelehrer. Sie sollten diese Fragen mit ihrem Kind – egal, wie alt es ist – ernsthaft besprechen und ihm größtmögliche Freiheit bei der Entscheidung lassen. Das heißt aber nicht, dass Sie ihr Kind mit der Entscheidung allein lassen.“

Eltern sind gefragt

Die Schulexpertin betont einmal mehr die Wichtigkeit der Eltern, gerade wenn es stressig wird. Dass man nicht die Nerven verlieren soll, wenn der Druck aus der Schule als besonders groß empfunden wird. „Wenn man nun auch noch Druck ausübt, wird es die Situation nur verschlimmern. In einer Zeit von Unsicherheit braucht Ihr Kind eine Stütze. Nervös und hastig an Ihr Kind herantreten, dass es dies tun oder jenes lassen muss, hat keinen Sinn. Zwei Sachen müssen klar sein: Die Prüfung macht das Kind, und um sie zu bestehen, hilft nur Lernen. Dafür gute Bedingungen zu schaffen ist Ihre Aufgabe als Eltern und Erzieher.“ Aber was bedeutet das konkret?

Lernen bedeutet Raum schaffen für ablenkungsfreie Zeit: „Das Handy etwa in festgelegten Zeiten in die Hände einer vertrauenswürdigen Person entfernt vom Lernort platzieren. Sich aufs Lernen einzustellen bedeutet auch die Klarheit darüber zu haben, dass es nun anstrengend wird. Für Mathematik oder Latein zu lernen ist anstrengend und wird nicht umsonst gern mit Arbeit verglichen. Lernen besteht aus Erarbeiten, Verstehen, Einprägen, in Zusammenhang bringen, Wiederholen, Erklären, Anwenden können. Da muss man sich schon bewegen. Aber, wenn man sich selbst etwas erarbeitet hat und Rechenaufgaben zu stimmen beginnen oder Konjugationen richtig anwendet werden können, sehen Sinus, Cosinus oder Ovid plötzlich ganz anders aus.“ Poledna vergleicht das Lernen und Üben etwa mit einem Sportler, der trainiert, denn auch er muss genauso Ausdauer und Bereitschaft zur Überwindung von Durststrecken mitbringen wie ein Schüler oder Student, der sich auf eine große Prüfung vorbereitet.

„Lernen macht nicht immer Spaß, besonders wenn man es in einem Fach tun muss, in dem man in der letzten Zeit nicht sehr erfolgreich war. Deswegen ist ein ermutigendes, vertrauensvolles, aber auch wohltuend begleitendes Umfeld sehr wichtig. Hier sind die Eltern gefragt, sie müssen aus der Situation heraus entwickeln, was machbar und hilfreich ist“, so die langjährige Professorin.

Begleitung ist nicht ständige Kontrolle

Damit ist nicht ständiges Kontrollieren, ob gelernt wurde, gemeint. Hemma Poledna rät vielmehr zu einem gemeinsam Essen am Tag, bei dem man sich dafür interessiert, wie es gelaufen ist. „Vielleicht ein anerkennendes Wort zu den vollgerechneten Blättern am Schreibtisch oder eine kurze Anekdote über eine Sache, die Ihnen auch immer schwer gefallen ist, können Wunder wirken“. Auch Vertrauen schaffen ist ein wesentlicher Faktor. Das Kind sollte spüren, dass es seine Sache gut machen wird. „Ihr Kind sollte begreifen können, dass es zu seiner Sache wird. Motiv und Ziel, wieso man diese Schule, diese Prüfung machen möchte, muss, sollten auch einmal Thema der Eltern-Kind-Gespräche sein.“

Was aber, wenn es doch nicht klappt? Wenn eine Wiederholungsprüfung nicht mehr abwendbar ist? Wenn aus den heißersehnten Ferien, der Auszeit von der Schule, ein quasi verdorbener Sommer wird? „Wenn man weiß, warum man die gewählte Schule absolvieren will, wenn man sein Ziel kennt, dann sind ein paar Badenachmittage weniger nicht mehr so schlimm. Ich kann aus Erfahrung sagen, dass mit einer Wiederholungsprüfung im Herbst für nicht wenige Schüler die Schwierigkeiten in einem Fach erledigt waren. Diese Prüfung ist auch eine Gelegenheit, um dann wieder weiter vorne mit dabei zu sein – und das ist ein sehr gutes Gefühl. Und ganz wichtig: Einen Versuch ist es immer unbedingt wert“, motiviert die dreifache Mutter Schüler wie Eltern.

Eines ihrer Lieblingszitate von Royston Maldoom, Musiker und Tanzlehrer, der einige Projekte mit Jugendlichen aus Problemschulen auf die Beine gestellt hat, möchte sie allen Eltern noch mit auf den Weg geben: „Man kann jungen Leuten gegenüber so tun, als sei Disziplin nicht wichtig, aber das wäre unfair. Sie wollen herausgefordert werden, damit sie nachher stark sind.“

Die Herausforderung bewältigen

Franz Trawniczek ist seit 2017 Inhaber und Geschäftsführer des Lernquadrats in Klosterneuburg und hat selbst langjährige Nachhilfeerfahrung. Seiner Meinung nach haben Probleme in der Schule immer die gleichen Ursachen.

„Es wird meist zu spät und zu wenig konsequent begonnen, sich um den laufenden Stoff zu kümmern. Im ersten Halbjahr geht es oft noch gut und kleinere Schwächen können noch kaschiert werden. Oftmals geht sich auch noch ein Genügend im Semesterzeugnis aus und viele Eltern glauben, dass ohnehin alles nach Plan läuft. Im weiteren Verlauf des Schuljahres verstärken sich diese kleinen Schwächen oft und dann kommt die besagte stressige Zeit im Jahr, wo auf die letzte Schularbeit eine sehr gute Note benötigt wird, um eine Nachprüfung zu vermeiden.

Dies fördert zwangsbedingt den Druck auf die Schüler, die sich dann oftmals gleichzeitig um mehrere Fächer kümmern müssen. Die Angst des Versagens nimmt zu und gerade diese wichtigen Schularbeiten gehen oft nicht nach Wunsch über die Bühne.“

Alles, was im ersten Halbjahr investiert wird, kommt im zweiten doppelt zurück

So lautet Trawniczeks Credo, der an der TU-Wien Mathematik und Darstellende Geometrie studiert hat. Er empfiehlt den betroffenen Schülern auch Lerngruppen mit Klassenkameraden zu bilden und unbedingt aktiv nach Hilfe zu suchen. Bei den Eltern, beim jeweiligen Professor oder auch regelmäßig am Förderunterricht teilzunehmen, um gar nicht erst in Bedrängnis zu kommen. Hilft dies nicht oder wird seitens der Schule kein Förderunterricht angeboten, haben die Eltern keine Zeit oder können dem Kind vielleicht auch nicht helfen, rät er zu professioneller und maßgeschneiderter Nachhilfe:

„Wir bieten unter anderem gezielte Vorbereitungen für ´letzte Prüfungen´ an, wo wir in einem Mix aus Kleingruppen und auch Einzeltrainings versuchen, die Kandidaten bestmöglich auf die gesamte Lern- und Prüfungssituation vorzubereiten. Nach Absprache mit den Eltern vermitteln wir dem Schüler auch, dass es keine Katastrophe ist, sollte doch eine Nachprüfung notwendig sein. Wenn eine Nachprüfung nicht mehr zu vermeiden ist, sollte man im Juli Pause machen, weil man auch einmal Abstand von allem benötigt. Die Vormittage im August dafür sind für Lernstunden gedacht, den Rest des Tages kann man sich für seine Lieblingsaktivitäten freinehmen, um den Kopf frei zu bekommen. Damit ist die Sache dann schon wieder halb so schlimm.“

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