Politik

Ein Solo für Mama

Von finanziellen Sorgen bis hin zu logistischen Herausforderungen – Eltern sein ist vor allem für Alleinerziehende eine tagtägliche Herausforderung. Eine alleinerziehende Mutter über den Spagat zwischen Mamasein und Beruf.

Ausgelassen tollt Ava durch den Park, klettert auf einen Baum und pflückt ihrer Mama dann Frühlingsblümchen. „Für dich Mama“, sagt das lebendige Mädchen mit strahlendem Gesicht und drückt ihrer Mama den kleinen Strauß in die Hand. „Wir beide“, sagt Lucia Derndorfer, „verstehen uns gut und lieben das Leben. Ava und ich sind oft ein richtig gutes Team.“

Das Leben als Alleinerziehende

Das müssen die 38-Jährige und ihre fünfjährige Tochter auch sein, denn Lucia wusste schon in der Schwangerschaft, dass sie alleine für ihre Tochter da sein wird. Zu Avas Vater gibt es nur sporadischen Kontakt, und auch Unterstützung durch Großeltern hat Lucia in ihrer Heimatstadt Wien keine, denn ihre Familie lebt in Oberösterreich. Tagsüber ist Ava im Kindergarten, und ihre Mama arbeitet dann als CliniClown Dr. Daisy Düse, im ZOOM Kindermuseum und im Leitungsteam des Vereins „sowieso!“. Alimente bekommt Lucia von Avas Papa keine, es gibt einen monatlichen Unterhaltsvorschuss von 214 Euro. Neben finanziellen Sorgen bietet der Alltag als Alleinerzieherin andere Herausforderungen, aber auch viele schöne Seiten: „Wir lieben es, viel zu unternehmen – auch kulturelle Dinge. Dank des Kulturpasses kann ich mit Ava gratis ins Theater und in fast alle Wiener Museen gehen, und das ist eine große Bereicherung für uns. Logistisch alles mit Kind und Job unter einen Hut zu bringen, ist aber eine der größten Herausforderungen. Unser Leben ist bunt, ein bisschen chaotisch, und kein Tag gleicht dem anderen.“

Lucia und Ava haben eine innige Verbindung: „Ava hat mich im Lauf der letzten fünf Jahre stärker gemacht.“

89 Prozent Frauen

Eine Situation, die die 103.000 österreichischen Alleinerziehenden, davon 89 Prozent Frauen, mit Kindern unter 15 Jahren gut kennen. Gerade wenn man frisch alleinerziehend ist, ergeben sich für die Betroffenen zahlreiche Fragen: Zusätzlich zum Schock über den Verlust des Partners kommen dann auch noch wirtschaftliche Sorgen oder Fragen nach der Betreuungssituation auf. Hilfe bieten verschiedenste Einrichtungen wie die Kontaktstelle für Alleinerziehende der Erzdiözese Wien. Fachbereichsleiterin Eva-Maria Nadler: „Frauen, die gerade erst erfahren haben, dass ihr Mann sich trennen will, kommen ebenso zu uns wie Paare, die vorhaben, sich scheiden zu lassen, und möchten, dass die Kinder nicht darunter leiden, oder Alleinerzieherinnen, die mit anderen in Kontakt kommen möchten. Auch Schwangere, die definitiv wissen, dass sie alleinerziehend sein werden, sind darunter.“

Austausch mit anderen

Neben der umfassenden Beratung durch Sozialarbeiter und Juristen bietet die Kontaktstelle, die 2019 ihr 40-Jahre Jubiläum feiert, auch einen monatlichen Sonntagsbrunch, bei dem sich die Mütter austauschen können. Daneben gibt es noch „eine therapeutisch begleitete Trennungsgruppe, denn es ist wichtig, wie die Erwachsenen mit der Trennungssituation umgehen – weil diese immer auch mit Verlust und Trauerarbeit verbunden ist, denen man Raum geben sollte. Auch unser Freiwilligenprojekt ,Familienboot‘ ist eine wichtige Unterstützung für Alleinerziehende, die kein familiäres Netz in Wien haben. Hierbei helfen Pensionistinnen unentgeltlich einmal in der Woche bei der Kinderbetreuung und stehen mit Rat und Tat zur Seite.“

Batterien aufladen

Wie wichtig es ist, jemanden zu haben, mit dem man reden kann und der einen unterstützt, weiß auch Lucia Derndorfer. Als Ava zwei Jahre alt war, kam eine massive Krise über die gebürtige Linzerin. Die junge Frau konnte einfach nicht mehr, hatte keine Kraft und litt an einer Erschöpfungsdepression. Schließlich halfen Freunde, nahmen Ava zwei Tage zu sich und gaben Lucia Zeit, Kraft zu tanken. Heute hat die Mutter, die sich ein bedingungsloses Grundeinkommen wünscht, neben einer Babysitterin, die ihr der Verein „sowieso!“ für die Zeit von Teamtreffen und Workshops finanziert, auch ein Netzwerk an Freunden, die ihre und Avas Herzensmenschen sind. Lucia Derndorfer: „Wenn sie Zeit mit Ava verbringen, kann ich es mir hin und wieder leisten, tanzen, ins Theater oder auf ein Konzert zu gehen. So kann ich meine Batterien wieder aufladen, denn als alleinerziehende Mutter bleibt man oft auf der Strecke. Ich lerne, Freunde um Hilfe zu bitten – aber das ist ein Prozess!“ Auch wenn es finanziell nicht einfach ist, gönnen sich Mama und Tochter jedes Jahr einen Urlaub. So waren sie schon mit drei anderen alleinerziehende Müttern und deren Kindern in Kroatien campen – und heuer geht es nach Griechenland in ein Haus mit Garten, denn Ava wünscht sich das so sehr. Lucia wünscht sich neben leicht erreichbarer Unterstützung auch mehr Respekt für Alleinerziehende. „Ava hat viele Bezugspersonen“, sagt Lucia, „ideal wäre allerdings ein Dorf, um ein Kind zu erziehen. Entscheidungen treffe ich prinzipiell alleine, und manche Momente würde ich gerne teilen. Aber Ava hat mich stärker gemacht und mir gezeigt, was ich schaffen kann – und sie ist mir in vielerlei Hinsicht eine sehr gute Lehrerin.“

Eine unbeschwerte Zeit. Ava liebt es, gemeinsam mit Mama Lucia im Park verstecken zu spielen.

Tipps für Alleinerziehende

• Bei einer der vielen österreichischen Beratungsstellen bekommt man neben psychologischer und juristischer Beratung auch Information zu finanzieller Unterstützung und Betreuungshilfe. Oft werden auch Stammtische für Alleinerziehende angeboten bei denen man netzwerken kann.
• Batterien aufladen. Gerade alleinerziehende Mütter und Väter brauchen auch einmal Zeit für sich, um neue Kraft tanken zu können. Zumindest ein paar Mal im Monat sollte man deshalb auch etwas für sich selber tun, das einem gut tut.
• Sich mit anderen austauschen. Wer mit anderen Alleinerziehenden spricht, merkt, dass er mit seinen Problemen, Ängsten und Sorgen nicht alleine ist. Man kann sich so wertvolle Tipps und Stärkung holen – oder auch ab und zu gegenseitig auf die Kinder aufpassen, wenn man Hilfe braucht.

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