Freizeit

Die unbekannte Astrid Lindgren

Der Berlinale Film „Becoming Astrid“ erzählt von den prägenden Lebensjahren der weltbekannten Kinderbuchautorin.

Gleich ob Pippi, die Freunde aus Bullerbü, Kalle oder Karlsson – Astrid Lindgren, geboren im Jahr 1907, hat mit ihren Kinderbuchcharakteren Figuren geschaffen, die bereits ganze Generationen geprägt und lange begleitet haben. Ihre Bücher wurden in mehr als 100 Sprachen übersetzt und 165 Millionen mal verkauft. Wie die 2003 verstorbene schwedische Autorin zu der wurde, als die Millionen Kinder weltweit sie lieben, erzählt der schwedisch-dänische Film „Becoming Astrid“ (Ö-Start: voraussichtlich im Herbst), der aktuell auf den Filmfestspielen von Berlin zu sehen ist.

Bewegte Jugendjahre

Im Zentrum steht die  Geschichte der jungen Astrid Ericsson (Alba August), die zu Beginn des 20. Jahrhunderts behütet und glücklich mit ihren Eltern und den drei Geschwistern im kleinen schwedischen Örtchen Vimmerby auf einem Pfarrbauernhof aufwächst. Obwohl ihre Eltern Hanna und Samuel (Maria Bonnevie und Magnus Krepper) streng gläubig sind, hat Astrid eine unbeschwerte und freie Jugend. Als die 18-Jährige in der nahen Zeitungsredaktion ein Praktikum beginnt, ändert sich Astrids Leben für immer: sie verliebt sich in den weit älteren Zeitungsherausgeber Reinhold Blomberg (Henrik Rafaelsen) und beginnt eine Affäre mit ihm. Doch dann wird Astrid schwanger und ihr Geliebter wird wegen Verführung einer Minderjährigen angezeigt. Damit Reinhold einer Gefängnisstrafe entgehen kann, muss Astrid ihren Sohn Lasse nicht nur in Dänemark (wo man den Vater nicht zwingend in der Geburtsurkunde angeben muss) zur Welt bringen, sie muss das Baby auch in die Obhut der liebevollen Marie, einer Pflegemutter, nach Dänemark geben bis Reinhold der Prozess gemacht ist. Doch nach einigen Jahren wird Marie schwer  krank und Astrid steht vor einer schwerwiegenden Entscheidung: Obwohl es Mitte der Zwanzigerjahre ein massiver Skandal ist eine unverheiratete Mutter zu sein, entschließt sich gegen eine Hochzeit mit Reinhold – und holt gegen den Widerstand ihrer konservativen Mutter ihren kleinen alten Sohn zu sich. Doch der Bub kann mit der ihm fremden Frau nichts anfangen und die fragile Beziehung droht zu zerbrechen. Werden Mutter und Sohn jemals zueinander finden?

Die Liebe zwischen der 18 Jahre alten Astrid und ihrem weit älteren Arbeitgeber muss lange geheim bleiben.

Die Regisseurin im familiii Interview

Pernille Fischer Christensen ist mit „Becoming Astrid“ ein bewegender Film gelungen, der ein wenig bekanntes Kapitel aus der Geschichte der Autorin von Büchern wie „Pippi Langstrumpf“, „Wir Kinder aus Bullerbü“, „Madita“ und „Michael aus Lönneberga“ zeigt. Star des Films ist die 24 Jahre alte schwedische Theaterschauspielerin Alba August, die Astrid Lindgren mit beeindruckender Intensität spielt und den Zuschauer von Anfang berührt. Ihre Astrid ist frech, unbeschwert und selbstbewusst, wie ihre wohl bekannteste Figur, die unabhängige Pippi Langstrumpf, die alleine mit ihrem Pferd Kleiner Onkel und dem Äffchen Herr Nilsson in der Villa Kunterbunt lebt. Hello familiii hat die Regisseurin anlässlich der Berlinale zu einem Interview getroffen und sich mit ihr über den Film, Astrid Lindgren und die Faszination von Lindgrens Büchern unterhalten.

Warum hat sich die bekannte Arthouse-Filmerin („Ein Tanz“, „Eine Familie“), die bereits mehrfach bei der Berlinale für ihre Filme ausgezeichnet wurde, für genau jene Lebensphase von Astrid Lindgren entschieden? „Weil diese Jahre in denen sie ihren Sohn bekommen hat und ihn bei einer Pflegmutter abgeben musste, Astrid Lindgrens Leben und Arbeit entscheidend geprägt haben. Man kennt sie meist nur als ältere Frau mit einem milden und gütigen Lächeln, auf denen sie immer sehr glücklich wirkt. Doch, wenn man sich Aufnahmen aus jenen Lebensjahren ansieht in denen Astrid ihren Sohn nicht bei sich haben konnte, dann sieht man eine in sich gekehrte und traurig wirkende junge Frau. Lindgren selber hat über dieses Kapitel ihres Lebens nicht allzu viel gesprochen. Ich habe mich dann sehr für dieses Thema interessiert und alles gelesen, was ich finden konnte – die Vorbereitungen für den Film haben dann insgesamt fünf Jahre lang gedauert. Es war mir sehr wichtig, so nahe wie möglich an der Realität zu bleiben, wenngleich mein Film natürlich nur eine Interpretation dessen ist, was geschenen ist. Dennoch war es mir enorm wichtig, diese großteils unbekannte Kapitel von Astrid Lindgren zu zeigen, denn ohne es es wären ihre Bücher niemals so geworden, wie sie nun eben sind. In ihnen geht es sehr oft um Kinder, die von Mutter oder Vater verlassen und auf sich allein gestellt sind, wie zum Beispiel Pippi Langstrumpf.“

Ihre Hauptdarstellerin Alba August, soeben bei der Berlinale als einer der europäischen Shootingstars geehrt, wurde aus 400 Schauspielerinnen gecastet, sagt die Filmemacherin. „Alba hat eine unglaubliche Intensität, die man auch auf der Leinwand spürt. Sie hat sich unzählige Videos und Tonbandaufnahmen Lindgrens angesehen, zu jeder einzelnen Szene eigene Notizen und Anmerkungen gemacht, detaillierte Storyboards gezeichnet und genauestens studiert wie sich die Autorin bewegt hat, welche Gesichtsausdrücke sie hatte. Das Besondere an Alba: es geht ihr um Wahrhaftigkeit, um Emotionen. Es ist ihr nicht wichtig, dass sie vor der Kamera immer perfekt aussieht und sie hat Mut dazu auch einmal nicht gut auszuschauen, wenn es der Moment erfordert – dadurch wird ihr Spiel so schonungslos und intensiv.“

 

Die schwedische Jungschauspielerin Alba August verkörpert Kinderbuchautorin Astrid Lindgren auf beeindruckende Weise.

„Themen, die Kinder wie Erwachsene ansprechen“

„Becoming Astrid“ beginnt damit, dass die alte Astrid Lindgren an ihrem Geburtstag Briefe von Kindern liest, die ihr gratulieren und ihr schreiben, was ihre Bücher ihnen bedeuten. Es sind Glückwunsche aus aller Welt in denen junge Leser bekräftigen, wie wichtig die Geschichten aus Schweden für sie sind. Die Filmmacherin, die Lindgrens Buch „Die Brüder Löwenherz“ nach eigenem Bekunden am meisten geprägt hat, sagt, dass Lindgren mit ihren Geschichten grundlegende Themen anspricht – und deshalb heute ebenso bei Kindern beliebt ist, wie vor 60 Jahren: „Es geht bei ihr um selbstbewusste und neugierige Kinder und Freiheit, aber auch um Tod und Verlust, um das, was im Leben wirklich zählt und uns alle ausmacht. Das sind Dinge, die für Kinder ebenso relevant sind, wie für Erwachsene. Astrid Lindgren verpackt in ihren spannenden, warmherzigen und lustigen Erzählungen grundlegende Fragen der Menschen. Dadurch sind ihre Bücher höchst philosophisch. Sie ist es, die unzählige Kinder zur Beschäftigungen mit eben jenen philosophischen Dingen angeregt hat und es immer noch tut. Und genau aus diesem Grund sollten Eltern ihren Kindern auch heute noch Lindgrens Geschichten zu lesen geben.“

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