Gesundheit

Diabetes im Klassenzimmer

Lehrende sind endlich abgesichert, wenn sie Kinder bei medizinischen Tätigkeiten unterstützen. Nun geht es darum den Lehrerinnen und Lehrern Information und Unterstützung anzubieten, damit sie Kindern mit Diabetes in der Schule beistehen können.

„In Österreich gibt es derzeit rund 1.600 schulpflichtige Kinder mit Typ-1-Diabetes. Pro Jahr kommen zusätzlich 250 bis 300 Neudiagnostizierte dazu“, berichtet Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer, von der Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, an der Med Uni Wien und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Wir beobachten eine Steigerungsrate bei Neuerkrankungen von 3,5 Prozent pro Jahr und dieser Anstieg schreitet kontinuierlich über die letzten 40 Jahre voran. Durch die deutliche Zunahme sind auch immer mehr Schulen mit dem Thema Diabetes konfrontiert.“

Die gute Nachricht: LehrerInnen dürfen helfen

Mit dem Bildungsreformgesetz 2017 wurde eine lange erwartete Änderung in das Schulunterrichtsgesetz (SchUG) aufgenommen. Bisher bedeutete jede medizinische Hilfestellung, die das Lehrpersonal bei Kindern durchführte, ein persönliches Haftungsrisiko, da es sich im rechtsfreien Raum bewegte. Durch die neue Regelung (§ 66b SchUG) wurde die medizinische Hilfestellung durch LehrerInnen definiert, womit diese Tätigkeiten nun unter die Diensthaftung fallen. „Die ÖDG hat diese Änderung seit Jahren gefordert, denn diese Regelung bringt für alle Lehrenden, die schon bisher chronisch kranke Kinder unterstützt haben, endlich Rechtssicherheit“, erklärt Assoz. Prof.in PD OÄ Dr.in Sabine Hofer, Kinderärztin an der Medizinischen Universität Innsbruck und Vorstandsmitglied der ÖDG. „Die notwendige Hilfestellung für Kinder mit Diabetes ist weiterhin auf freiwilliger Basis verankert. Jetzt geht es darum jenen PädagogInnen, die in ihrer Klasse ein Kind mit Diabetes haben, die Informationen und Ressourcen zu bieten, die notwendig sind, um diese Unterstützung kompetent durchzuführen. Dabei geht es nicht um komplexe Tätigkeiten, die nur von Fachpersonal zu bewältigen sind, sondern um kleine Erinnerungen, Rücksicht auf notwendige Blutzuckermessungen, die Supervision bei einfachen Rechenvorgängen der Insulinpumpe oder Basiswissen in Erster Hilfe und vor allem Verständnis für spezifische krankheitsbedingte Notwendigkeiten.“

Kinder brauchen Unterstützung

Kinder verbringen immer mehr Zeit in der Schule. Sie besuchen den Hort oder Nachmittagsunterricht. Dort bekommen sie auch ihr Mittagessen. Für Kinder mit Diabetes bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung, denn sie müssen in diesem Rahmen mehrmals Blutzucker kontrollieren und Insulin spritzen. Änderungen im Tagesablauf, die im Schulalltag immer wieder vorkommen können, wie eingeschobene Stunden und verschobene Pausen sind für Kinder mit Diabetes problematisch, weil sie auf einen regelmäßigen Tagesablauf mit regelmäßiger Nahrungszufuhr angewiesen sind, um Ihren Blutzucker stabil zu halten. Das Mittagessen in der Schule ist für Kinder mit Diabetes eine besondere Herausforderung, da sie die BroteinheitenBerechnung meist selbst durchführen müssen. Bei all diesen Szenarien brauchen die Kinder Hilfe von Erwachsenen/Lehrern/Betreuern.

Technik kann auch überfordern

Wir erleben vor allem bei Kindern eine Technisierung der Diabetes-Behandlung (Pumpe und Sensor). Das erleichtert zwar den Alltag, weil es dem Kind eine größere Flexibilität, zum Beispiel bei Sport, ermöglicht und es hilft Hemmungen bei Mitschülern und LehrerInnnen abzubauen, weil weniger Nadelstiche und blutige Messungen notwendig sind. Die Technisierung kann aber auch zu Überforderung führen, zum Beispiel bei jungen Kindern, wenn Daten im Zahlenraum 200 interpretiert werden müssen. Auch hier wird Hilfe von LehrerInnen benötigt.

Inklusion verbessert die physische und psychische Verfassung

Ein zentraler Aspekt ist die Inklusion von Kindern mit Diabetes in der Schule. Wenn ein Kind zum Beispiel zum Insulinspritzen von der Lehrerin aus der Klasse geschickt wird, kann es sich dadurch aus der Gruppe ausgeschlossen fühlen. Ob eine Messung oder Medikamentengabe im Klassenzimmer stattfindet, oder das Kind sich wohler fühlt, das in einem intimeren Rahmen durchzuführen, sollte Entscheidung des Kindes sein. An Schulen, wo Kindern mit Typ-1-Diabetes dieser Raum gegeben wird, ist deren psychische und physische Verfassung besser, als an Schulen, wo diese Form der Inklusion nicht stattfindet.

Das 5-Säulen-Modell der Betreuung

Um Kinder mit Typ-1-Diabetes in der Schule optimal zu betreuen, braucht es fünf Säulen beziehungsweise fünf Personengruppen, die gut informiert und abgestimmt interagieren sollten:

  • Zuallererst die Kinder selbst, die man mit altersgerechten Schulungen, idealerweise in Diabetes-Zentren, sehr gut stärken kann, damit Sie selbst kompetente Entscheidungen treffen können.
  • Die Eltern, die durch klare Kommunikation an Kinder und LehrerInnen Unterstützung geben. Zum Beispiel sollten typische Unterzuckerungssymptome bei ihrem Kind kommuniziert werden, oder eindeutige Angaben darüber geliefert werden, welche Nahrung in welcher Menge gegeben werden soll. Beschreibungen und Handlungsanweisungen, am besten verschriftlicht, schaffen Klarheit und geben Sicherheit.
  • Die LehrerInnen, auf deren Seite es noch Informationsmängel rund um das Thema Kinder mit Diabetes gibt. Um diese Infolücken zu schließen, wird demnächst ein spezielles Fortbildungsmodul gemeinsam von ÖDG und ÖDV für LehrerInnen angeboten.
  • SchulärztInnen können bei der Vermittlung medizinischer Themen wertvolle Unterstützung liefern. Für sie gibt es regelmäßige Fortbildungen zu Diabetes bei Kindern. Im Herbst wird eine DFP-Fortbildung zu diesem Thema speziell für SchulärztInnen publiziert.
  • Und zuletzt eine sehr wichtige aber kaum bekannte Säule: die Diabetes-Nannies. DiabetesberaterInnen kommen in die Schule, begleiten und schulen dort das Lehrpersonal im Umgang mit den Bedürfnissen eines Kindes mit Typ-1-Diabtetes.

Diabetes-Nannies unterstützen das Lehrpersonal

Hofer führt aus: „Die Diabetes-Nannies sind ein hervorragendes Konzept. Leider gibt es sie noch nicht flächendeckend und auch die Finanzierung ist nicht immer sichergestellt. Es kommt immer wieder vor, dass Eltern privat eine Diabetes-Nanny bezahlen, um LehrerInnen über den Umgang mit Diabetes zu informieren.“

Kautzky-Willer betont abschließend: „Eine abgestimmte, bundesweite, standardisierte Vorgehensweise ist notwendig, um Kindern mit Diabetes einen sorgenfreien und gesunden Schulbesuch zu ermöglichen. Die ÖDG arbeitet auch an einem Positionspapier zum Thema ‚Diabetes in der Schule‘, das demnächst veröffentlicht wird.“

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