Erziehung

Der Zeit auf der Spur

Für kleine Kinder spielt das Konzept Zeit erst langsam eine Rolle. Uhren können sie trotzdem faszinieren.

Clark ist dreieinhalb Jahre alt und ein echter Uhren-Fan. Er kann beinahe die Zeit ablesen, nur das richtige Zuordnen der Minuten- und Stundenzeiger muss er noch perfektionieren. Und mag Zeit für ihn auch noch wenig Bedeutung haben, sind Uhren für ihn trotzdem einfach faszinierend. Mindestens einmal in der Woche besucht er das Uhrenmuseum in Wien, einen Teil des Wien Museums, er sammelt Uhren aller Art, die seine Eltern ihm etwa auf Flohmärkten kaufen. Clark hat Armbanduhren, Kinderuhren, Puzzles mit Uhrenmotiven und sogar eine Kuckucksuhr, die er von einem Händler geschenkt bekommen hat. Wenn er an einer Person eine faszinierende Uhr entdeckt, dann läuft er schon mal hin und schließt so Kontakt, und auf YouTube sieht er am liebsten Videos von Uhrensammlern.

Clark kann an Uhren schwer vorbeigehen, und in Läden faszinieren ihn nicht zuletzt aufwendige, ältere Modelle.

Erinnerungen an schöne Zeiten

Die Faszination für Uhren hat für Clark aber einen ganz anderen Hintergrund und eine andere Bedeutung: Während der Karenz hat sein Vater immer wieder mit ihm das Uhrenmuseum besucht, und Clark verbindet mit ihnen nicht einen Zeitmesser, sondern die schöne Zeit, die er mit seinem Vater verbringt. Trotzdem haben die Uhren Clark auch schon einiges vermittelt: Er kann heute auf Deutsch und Englisch bis hundert zählen, konnte aber bereits sehr früh die Zahlen bis zwölf lesen – auch wenn es römische Ziffern sind. Und wenn er einen alten Wecker in die Finger bekommt, spielt er damit so lange, bis es ihm gelingt, diesen aufzuziehen, einzustellen und zum Läuten zu bringen. Auch wenn er gerade im Bus unterwegs ist.

Das Gefühl kommt mit der Zeit

Kleinkinder leben im Hier und Jetzt. Bis zum Alter von etwa drei Jahren können Kinder mit Begriffen wie „vorher“ oder „nachher“ und erst recht mit Konzepten wie „gestern“ oder „morgen“ kaum umgehen. Sie erleben Zeit durch Wiederholungen: also durch gelernte Alltagsabfolgen wie etwa das morgendliche Badezimmerritual oder das tägliche Frühstück. Kleinkinder erleben ihren Tag auch nicht in Uhrzeiten oder einer Abfolge geplanter Zeitspannen. Erlebnisse und deren Abfolge sind es, was ihren Tag ausmacht. Etwa bis zum fünften Lebensjahr bekommen sie ein Gefühl für die unterschiedlichen Kategorien von Vergangenheit und Gegenwart und deren sprachliche Entsprechung – und lernen, Zeitangaben zu verstehen. Und meist erst gegen Ende der Volksschulzeit lernen Kinder, die Dauer vieler Handlungen halbwegs akkurat einzuschätzen und auch vorherzusagen, wie viel Zeit eine Handlung beanspruchen wird. Trotzdem kann man schon im vorschulischen Alter Interesse an Zeit und ihren Messgeräten wecken und die Entwicklung eines adäquaten Zeitgefühls fördern. Einerseits durch das Erwähnen von Uhrzeiten, andererseits aber auch durch mit Zeitangaben oder Zeitmessung verbundene Spiele und Aufgaben – zum Beispiel solche, die bis zum Verrinnen des Sands in einer Sanduhr geschafft werden können.

Wecker sind für Clark besonders faszinierend, auch wenn sie unterwegs dann schon mal die Umgebung wecken.

Zeit und ihre Vermittlung

Das angesprochene Uhrenmuseum in Wien stellt nicht nur Uhren aus, sondern bietet darüber hinaus einige Einblicke in das Thema. Auf drei Stockwerken gibt es traditionelle Uhrensammlungen aller Art, und auch die Turmuhr des Stephansdoms gehört zur Sammlung des Museums. Wie viele andere Museen steht es nicht nur Schulklassen offen, die das Museum oft in der 1. oder 2. Schulstufe der Volksschule besuchen, sondern auch Familien. Die Volksschule ist meist das Alter, in dem sich Kinder – nicht nur freiwillig – erstmals intensiv mit Zeit auseinandersetzen. Es gilt, pünktlich in der Schule zu sein und andere Vereinbarungen – auch jene mit den Eltern – einzuhalten. Die Kinder im Museum sind oft fasziniert und begeistert von der Technik und wollen verstehen, wie Uhren mit einem klassischen Uhrwerk funktionieren. Im Museum können sie Uhren auch auseinandernehmen und sehen, welche Technik dahinter steckt, oder Einblick in das Innenleben einer Pendeluhr bekommen. Möglichkeiten, das Vergehen von Zeit zu beobachten, gibt es im Museum etwa, wenn man einer Pflanze beim Verwelken zusieht oder einen Eiswürfel beim Schmelzen beobachtet.

Ein Programm im Museum nennt sich „Der Zeit auf der Spur“, dauert rund 90 Minuten und beschäftigt sich mit Fragen wie: Was bewegt sich alles an und in der Uhr? Kann die Zeit auch mal stillstehen? Oder läuft sie uns dauernd davon? Und was macht überhaupt der Kuckuck in der Uhr? Teilnehmer lernen die Teile einer mechanischen Uhr spielerisch und mit allen Sinnen kennen und überlegen, wie das Vergehen der Zeit noch gemessen und sichtbar werden kann. Dies wird dann auch in einem Experiment erprobt. Ein anderes Programm heißt „Wer hat an der Uhr gedreht?“. Hier tauchen die Teilnehmer in die Welt der Zeitmessung ein und erkunden die Uhren im Museum mit allen Sinnen – von der großen Turmuhr von Sankt Stephan bis zu den kleinen Taschenuhren: „Bei dieser Aktivführung kommen sie den Uhren durch Tasten, genaues Schauen und Zuhören und mit Bewegungsspielen näher – und lüften so ihre verborgenen Geheimnisse!“

Den eigenen Rhythmus finden

Isabel Termini-Fridrich, Mitglied des Vorstands im Österreichischer Verband der KulturvermittlerInnen, möchte in Zukunft mit dem Programm im Uhrenmusuem noch viel weiter gehen: „Wir wollen uns mehr auf das Thema Zeit konzentrieren. Die Sammlung kreist viel um das Uhrenhandwerk, wir wollen das öffnen und uns auch mit dem Rhythmus beschäftigen. Etwa auch gemeinsam mit den Kindern der Frage nachgehen, wie der eigene Rhythmus aussieht und wie man mit diesem im Einklang leben kann. Gerade Kinder müssen sich oft den Zeitplänen Erwachsener anpassen, und hier kann es spannend sein, den eigenen biologischen Rhythmus kennenzulernen.“ Schon heute beschäftigten sich Kinder im Museum aber auch mit den eigenen Emotionen. So können Kinder etwa ein Ziffernblatt basteln, auf dem sie eigene Gefühle wie Freude, Wut, Trauer oder auch Müdigkeit einzeichnen. Auf der Tür des eigenen Zimmers montiert, können die Kinder so mit dem Zeiger ihrer Umwelt signalisieren, wie es ihnen gerade geht. Die verschiedenen Programme werden grundsätzlich ab einem Alter von sechs Jahren empfohlen, jüngere Geschwister oder Eltern, die hier Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, sind aber jederzeit genauso willkommen!

Durch die Beschäftigung mit Uhren hat Clark früh die Zahlen bis zwölf gelernt – und sich auch römische Ziffern selbst beigebracht.

Basteltipp: Messen, wie die Zeit vergeht

Eine anschauliche Sanduhr kann man auch gemeinsam basteln. Dazu entfernt man von zwei PET-Flaschen den Verschluss und füllt eine zur Hälfte mit Sand. In einen Deckel bohrt man mit einem Handbohrer ein Loch (in dem Fall besser der Erwachsene) – alternativ tun’s auch ein Nagel und ein Hammer –, durch das später der Sand rieselt, und schraubt den Deckel auf die mit Sand gefüllte Flasche. Die leere Flasche wird mit Klebeband ohne Deckel auf die volle geklebt. Mit einer Stoppuhr kann das Kind die Zeit messen, die der Sand zum Rieseln braucht, und mit einem wasserlöslichen Marker auf die selbst gebastelte Uhr Markierungen schreiben. Wer will, kann diese bestimmten Zeiträume wie Fünf-Minuten-Abstände messen und markieren.

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