Erziehung

„Das Urvertrauen ist das Vertrauen darauf, dass ich es wert bin, geliebt zu werden“

Familienberaterin Katharina Weiner im Interview zum Thema Vertrauen.

Katharina Weiner ist Familienberaterin und leitet die Beratungsplattform familylab nach Jesper Juul. Die Beziehungstrainerin ist zudem die persönliche Assistentin des renommierten, dänischen Familientherapeuten Jesper Juul.

Statt Kurse & Co brauchen Kinder in den ersten drei Jahren vor allem eine sichere Bindung!

Katharina Weiner

Leitung familylab Österreich

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Wie bauen Eltern eine gute Vertrauensbasis mit ihren Kindern auf?
Katharina Weiner: Aus der Bindungsforschung wissen wir, dass der Grundstein schon mit dem Urvertrauen gelegt wird, das bereits während der Schwangerschaft entsteht. Urvertrauen ist die Basis für ein sicheres Bindungsverhalten, das als Vorausetzung dafür gilt, auch künftig anderen Bezugspersonen, der Umwelt sowie den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Studien sagen, dass eine sichere, vertrauensvolle Bindung bei Kleinkindern im Alter von null bis drei Jahren gefestigt wird.

Welche Faktoren beeinflussen eine positive Festigung?
Weiner: Das beginnt mit dem Vertrauen der Eltern in sich selbst, also den eigenen Fähigkeiten. Zum Beispiel beim Stillen oder der verlässlichen Pflege, wo es ja nicht nur um Befriedigung von Grundbedürfnissen geht, sondern auch um die Vermittlung vieler Emotionen. In den ersten drei Jahren sollten Eltern sich weniger damit beschäftigen, welche Kurse ein Kind besuchen sollte, sondern einfach nur sich und ihr Kind gut spüren. Jesper Juul spricht in dem Zusammenhang vielfach von Beziehungskompetenz.

Was ist eigentlich genau gemeint?
Weiner: Juul unterscheidet zwischen dem Selbstvertrauen, das ich lernen und an dem ich ein Leben lang arbeiten kann, und dem Selbstgefühl, das im Grunde diesem Urvertrauen entspringt und sich sehr früh ausprägt. Selbstgefühl heißt: darauf vertrauen, dass es okay ist, wie ich bin. Ich bin es wert, geliebt zu werden. Juul benennt vier Schlüsselfaktoren für eine nuancierte Betrachtungsweise meiner Selbst: Eigenverantwortung, Integrität, Authentizität und Gleichwürdigkeit. Erfahren Kinder diese im gegenseitig respektvollen Umgang, entwickeln sie eine hohe Beziehungskompetenz.

Welchen Zusammenhang zwischen mangelndem Vertrauen und aggressivem Verhalten sehen Sie?
Weiner: Wenn mein Gegenüber mich ständig bewertet, anstatt mich annimmt, wie ich bin, können tiefe Selbstzweifel entstehen. Das Bild, das andere von mir haben und in weiterer Folge auch ich von mir selber habe, wird unstimmig mit meiner wahren Persönlichkeit. Die Folge können Verhaltensauffälligkeiten sein. Unsere Gesellschaft tendiert im Allgemeinen dazu, möglichst brave Kinder hervorzubringen. Dass auch Aggressionen wichtig sind und ihren Platz haben müssen, wird gerne verdrängt. Dadurch kann auch unmöglich ein konstruktiver Umgang mit Gefühlen wie Zorn oder Wut gelernt werden. Ein gutes Selbstgefühl basiert darauf, dass ich auch darauf vertrauen kann, dass ich in Ordnung bin, wenn ich negative Gefühle äußere.

Welche Bedeutung für die Vertrauensbildung hat eine angemessene Grenzsetzung?
Weiner: Kinder orientieren sich an uns Erwachsenen. Sie haben eine unglaubliche Sensorik dafür, was wir an echten Gefühlen vermitteln und wie sehr wir selber unsere eigenen Grenzen spüren. Das hat wenig mit klassischem „Grenzen setzen“ im Sinne von „Strafen oder Schimpfen“ zu tun. Verbote und Strafen können einen Vertrauensbruch darstellen, weil Kinder daraus mitnehmen, dass sie nicht in Ordnung sind, wie sie sind.

Inwiefern kann bei fehlender Vertrauensbasis im Kleinkindalter das nötige Vertrauen später noch gestärkt werden?
Weiner: Gerade in der Pubertät zeigt sich, wie viel Selbstgefühl ein Kind besitzt. In dieser Phase nimmt der Einfluss der Eltern naturgemäß ab, und im Idealfall, also wenn die Vertrauensbasis bis dahin stimmt, können Eltern darauf vertrauen, das sie ihrem Kind ein gutes Maß an Haltung und Werten mitgegeben haben, mit dem es zusehends selbständig im kollektiven Leben zurechtkommt.

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