Medien

Das Hass-Karussell beenden

Kinder, die von Cybermobbing betroffen sind, schweigen oft monatelang und ziehen sich immer mehr zurück. Sie schämen sich und befürchten, alles wird noch schlimmer, wenn sie sich Eltern oder Lehrern anvertrauen. Prävention und Medienkompetenzbegleitung können das verhindern.

Bei einem Ausflug zur Sommerrodelbahn filmte ein Kind Jakob Fleissner und seine Freunde beim Spielen und stellte das Video, ohne die anderen Kinder zu fragen, auf YouTube. So etwas ist sehr ärgerlich, aber zumindest ist kein größerer Schaden entstanden. Anders sieht es aus, wenn jemand zum Beispiel eine Rauferei am Schulhof filmt und das ins Internet stellt – oder wenn ein Schüler, wie es an einer NMS in Niederösterreich passiert ist, eine Hassrede auf Mitschüler und Lehrer aufnimmt und diese für die ganze Welt abrufbar auf YouTube stellt. Das nennt man dann Cybermobbing – und das ist sogar strafbar (siehe: https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen& Dokumentnummer=NOR40177258).

Wolfgang Pospischill, freier Trainer und Medienpädagoge, der etwa für saferinternet.at Workshops an Schulen hält, betont, dass es sich nicht immer um Cybermobbing handelt, wenn online gestritten wird: „Ganz viele Eltern meinen, dass ihre Kinder gemobbt werden. Aber einmal in einer WhatsApp-Gruppe hin- und herschimpfen ist noch kein Mobbing.“ Mobbing ist es erst, wenn sich Beschimpfungen systematisch über einen längeren Zeitraum ziehen, etwa falsche Gerüchte verbreitet werden und das Leben der Betroffenen unzumutbar beeinträchtigt wird (siehe Kasten weiter unten).

24 Stunden am Tag

Im Gegensatz zu „Offline“-Mobbing kann Cybermobbing jederzeit betrieben werden. Pospischill: „Ich kann weitermachen, wenn die Person die Schule verlässt. Ansonsten hört Mobbing auf, wenn man nach Hause kommt. Und mit den digitalen Medien erreiche ich natürlich ein ziemlich großes Publikum.“ Immer gehe es der mobbenden Person darum, sich selbst besser darzustellen – und dafür werden andere schlechtgemacht. Pospischill ist überzeugt, dass Cybermobbing oft als Ventil für den eigenen Ärger dient.

Cybermobbing bleibt meist lange von Eltern und Lehrpersonal unentdeckt. Pospischill: „Die Kinder versuchen oft, durchzuhalten, weil sie sich schämen und das Gefühl haben, sie können mit niemandem darüber reden. Oft kommt es erst ein halbes Jahr später heraus, wenn irgendjemand es nicht mehr aushält und es einer Lehrerin erzählt.“ Dann ist meist schon großer Schaden entstanden: „Man merkt es nicht an direkten Äußerungen, sondern am Verhalten. Die betroffenen Kinder ziehen sich in der Regel immer mehr zurück und sind immer öfter angeblich krank.“ Cybermobbing geht manchmal so weit, dass Erpressung à la „Schick mir ein Nacktfoto oder ich verbreite diese und jene Info über dich“ betrieben wird. Oder es werden ganze Gruppen mit Titeln wie „Alle hassen Anna“ gegründet. Wenn Kinder ihren Frust in einer solchen Drucksituation zu lange in sich hineinfressen, wählen sie manchmal sogar den Weg des Selbstmordversuchs.

Niemanden beschuldigen

Es kann lange dauern, bis so eine Situation wieder aufgelöst wird. Und es braucht professionelle Hilfe von Schulpsychologen, Beratern wie jenen von Rat auf Draht oder vom Verein Zara, wo man sich auch mit Hass im Netz beschäftigt – und natürlich von geschultem Lehrpersonal und Vertrauenspersonen. Hilfreich ist laut Pospischill der „No blame approach“, ein Ansatz, bei dem alle ins Boot geholt und niemand beschuldigt wird: „Dabei stellt man die Frage: Wie kannst du die andere Person unterstützen? Das funktioniert als Erstmaßnahme ganz gut.“ Eltern sollten Ruhe bewahren, anstatt mit Vorwürfen auf andere Eltern zu reagieren, sonst dreht sich das Hass-Karussell immer weiter. Auch sollten sie ihrem Kind glauben und keine Schuld zuschieben.

Die Eltern schenken ihren Kindern die Geräte und müssen ihnen zuhause Medienkompetenzbegleitung beibringen – so wie sie mit ihnen Fahrradfahren lernen.

Wolfgang Pospischill, Freier Trainer und Medienpädagoge

Zitatzeichen

Damit es gar nicht so weit kommt, hält der Medienpädagoge Prävention für entscheidend. Und da müssen Eltern aktiv werden: „Mediennutzung beginnt daheim. Oft wird die Verantwortung an die Schulen abgeschoben. Die Eltern schenken die Geräte her und müssen ihren Kindern zuhause Medienkompetenzbegleitung beibringen – so wie sie mit ihnen Fahrradfahren lernen.“ Man sollte zum Beispiel zuhause besprechen, welche Bilder online verschickt werden dürfen. Dabei helfen Vergleiche wie: „Würdest du jedem auf der Straße all deine Fotos zeigen?“ Gute Übungen zum Thema Cybermobbing gibt es auf der Plattform peerbox.at. Viele wertvolle Infos und Anregungen finden sich auf saferinternet.at. Videos zu diesem und anderen Medienkompetenz-Themen bietet fragbarbara.at. Und ganz wichtig in Mobbing-Situationen ist eine Gruppe: die sogenannten Zuschauer bzw. Wegschauer. Wenn sie sich zu Wort melden und den Betroffenen zur Hilfe kommen, kann ein größerer Schaden eingedämmt oder schon ganz früh im Keim erstickt werden.

Was ist Cybermobbing?

• Eine Person wird für eine größere Zahl von Menschen wahrnehmbar in der Ehre verletzt, etwa durch Beschimpfungen, Schmähungen, Verspottungen oder Beleidigungen.
• Die Verletzung von Ehre und Privatsphäre müssen das Opfer besonders belasten und für ungefähr zehn Person wahrnehmbar sein.
• Die Privatsphäre ist verletzt, wenn es zur Veröffentlichung von Tatsachen oder Bildaufnahmen des höchstpersönlichen Lebensbereiches (Sexual-, Familienleben, Krankheitsgeschichte, Behinderungen, religiöse Ansichten) kommt.

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