Gesundheit

Behandlung gegen Schwangerschaftsvergiftung

Forschende der ETH Zürich haben in Versuchen mit Mäusen Signalwege aufgeklärt, die zu verdickten und weniger elastischen Blutgefässen führen. Und sie haben einen Therapieansatz für schwangere Frauen mit bisher nicht behandelbaren Schwangerschaftsvergiftungen entwickelt.

Schwangere

Weltweit erleidet etwa jede zwanzigste Frau eine Schwangerschaftsvergiftung oder Präeklampsie. Dabei steigt der Blutdruck, die Niere verweigert zusehends ihren Dienst. Die Präeklampsie gehört zu den häufigsten Todesursachen während der Schwangerschaft – bei der Mutter wie auch beim ungeborenen Kind. Zurzeit gibt es keine Behandlung. Das einzige Mittel, das Ärztinnen und Ärzten bleibt, um eine Eklampsie – einem lebensbedrohlichen epileptischen Anfall – zu verhindern, ist eine frühe Entbindung.

„So lange es die Symptomatik der Mutter und des Fötus zulässt, kann mit der Einleitung der Geburt zugewartet werden“, sagt Ursula Quitterer, Professorin für Molekulare Pharmakologie der ETH Zürich. Zusammen mit Wissenschaftlern aus der Schweiz und den USA und dem Chefarzt der gynäkologischen Universitäts-Klinik in Kairo hat sie nun in der Zeitschrift „Cell“ Resultate veröffentlicht, die erstmals einer möglichen medikamentösen Behandlung der Präeklampsie den Weg weisen.

Gefässzellen schwellen auf

Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen ineinander verkeilte oder aggregierte Rezeptoren, so genannte Heterodimere. Sie reagieren nicht nur auf hormonelle Impulse, sondern auch auf mechanische Reize und lösen im Inneren der Blutgefässzellen Signalkaskaden aus, die aufgrund von Rückkopplungsschlaufen entgleisen – und das Aussehen und Verhalten der Zellen grundlegend verändern – können: Während sich gesunde Gefässe bei Bedarf zusammenziehen können (also kontraktil sind), schwellen die Gefässzellen bei einer Schwangerschaftsvergiftung auf, und die Blutgefässe verlieren ihre Elastizität.

Das liegt daran, dass der starke Druck, der im letzten Drittel der Schwangerschaft im Bauch vorherrscht, zu einer Überreizung der Rezeptor-Heterodimere führt, wie Quitterer und ihre Kollegen festgestellt haben: Die Forschenden haben Mäuse genetisch so verändert, dass sich in deren Blutgefässzellen die beiden für die Wahrnehmung des mechanischen Reizes verantwortlichen Rezeptoren anreicherten. Nach 18 von 20 Tagen Tragezeit entwickelten die Mäuse dieselben Symptome, die sich auch bei Frauen mit einer Präeklampsie zeigen: erhöhter Blutdruck und Eiweisse im Urin.

Weniger Rezeptoren verzögern Präeklampsie

Umgekehrt konnten die Forschenden das Auftreten einer Präeklampsie verzögern, wenn sie die Rezeptor-Heterodimere rarer werden liessen. Sie behandelten die Mäuse mit Amlodipin, einem alten (und nicht mehr patentgeschützten) blutdrucksenkenden Arzneimittel. Es blockiert einen Kalziumkanal – und unterbricht dadurch die Signalkaskade, die von den Rezeptor-Heterodimeren losgetreten wird. Die Behandlung sorgte dafür, dass die Gefässzellen nicht anschwollen, und dass die Wände der Blutgefässe dehnbar blieben.

Auf die ineinander verkeilten Rezeptoren stiessen Quitterer und ihre Kollegen nicht nur in ihren gentechnisch veränderten Mäusen, sondern auch in Plazentagewebeproben von an Schwangerschaftsvergiftung leidenden Frauen. Um zu testen, ob die Rezeptor-Heterodimere auch beim Menschen eine so entscheidende Rolle spielen wie bei den Mäusen, behandelte der mit den Forschenden zusammenarbeitende Chefarzt in der gynäkologischen Universitätsklinik in Kairo jeweils vier Schwangere mit einer beginnenden Präeklampsie entweder mit Amlodipin oder mit Nifedipin. Letzteres ist mit Amlodipin chemisch verwandt und ist ebenfalls ein Kalziumkanalblocker.

Jeder Tag im Mutterbauch zählt

Obwohl beide Behandlungen den Blutdruck senkten, verlängerte Amlodipin die Schwangerschaft wesentlich mehr. Im Vergleich zu den Frauen, die mit Nifedipin behandelt worden waren, konnten die Frauen in der Amlodipin-Gruppe durchschnittlich vier Tage später entbinden. Für Quitterer sind diese Resultate klinisch relevant, denn „bei Frühgeburten zählt jeder Tag, den der Fötus noch hat, um sich im Mutterbauch weiterzuentwickeln.“

Quitterer erforscht die Rezeptor-Heterodimere schon seit zwanzig Jahren. „Zu Beginn wollte uns niemand glauben, dass es aggregierte Rezeptoren gibt“, sagt sie. Ihre neuesten Befunde beenden diese Diskussion – aber stossen gleichzeitig schon die nächste an: Jetzt könnten „grössere klinische Studien untersuchen, ob Amlodipin zusammen mit Aspirin den Beginn einer Präeklampsie in Hochrisiko-Schwangerschaften verzögern kan“», beenden die Forschenden ihren Fachartikel.

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